Mit ‚Lerntheke‘ den Mathematikunterricht neu durchdenken

Mit ‚Lerntheke‘ den Mathematikunterricht neu durchdenken
10
Nov

Die Lerntheke ist eine offene Unterrichtsform, die dem Lehrer den Freiraum verschafft, sich intensiver mit den leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern zu beschäftigen. Die Methode, die Jan-Martin Klinge nachfolgend vorstellt, ähnelt dem Lernen mit Stationen. Alle Materialien liegen jedoch auf einer „Theke“ (meist der Fensterbank) aus und bei der Bearbeitung muss keine bestimmte Reihenfolge eingehalten werden. Die Aufgaben bauen also nicht zwingend aufeinander auf. Dieser Aspekt ist von Bedeutung, denn im Unterschied zu einem Stationenlernen beginnen nicht alle Schüler gleichzeitig mit der Station 1 – was zur Folge hat, dass der Lehrer eine Menge Material sparen kann. Die Schülerinnen und Schüler bedienen sich an der Lerntheke selbst und treten dadurch innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens in eine sehr individuelle Auseinandersetzung mit dem Lernstoff.

Ein Überblick

In einer kurzen Einführungsphase (2-3 Stunden) wird ein neues Thema, bspw. „Statistiken“ eingeführt. Es gibt kleinere Übungen, evtl. eine Anknüpfung an das Vorwissen. Diese Phase reißt das Thema nur an. Einige Schüler verstehen schon etwas, andere hören es, nicken es ab und vergessen es wieder. Diese Einführung soll tatsächlich nicht mehr sein, als das: Eine Einführung. Dabei werden bestimmte Themengebiete zunächst ausgelassen – die Schüler werden sie sich später selbst erarbeiten.

Das echte Lernen folgt erst in der zweiten Phase: Der Lerntheke.

Für die Schüler liegt vorbereitetes Material bereit, das farblich unterschiedliche Niveaustufen kennzeichnet: Grüne Karten sind einfache Grundaufgaben. Sie sollen Sicherheit im Thema geben. Gelbe Karten entsprechen den eigentlichen Anforderungen des Unterrichtthemas. Sie sind auf dem Niveau der späteren Klassenarbeit. Rote Karten sind sehr komplex, ihre Bearbeitung ist freiwillig und dient der Spitzenförderung.

Jede Karte ist in der Größe A5 gehalten, farbig ausgedruckt und laminiert. Auf jeder Rückseite sind immer auch die Lösungen zu finden. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten eigenständig auf einem für sie passenden Niveau. Leistungsschwächere Schüler beginnen mit den Grundaufgaben auf den grünen Karten, leistungsstärkere setzen sich direkt mit komplexeren Sachverhalten auf den gelben Karten auseinander.

Lerntheke: Vernünftiges Differenzieren

Ein Beispiel: Der leistungsschwache Schüler Aaron kämpft mit dem Bruchbegriff. Er ist über die grünen Karten in der Lerntheke dankbar und liest aus Formen Bruchverhältnisse ab oder stellt vorgegebene Brüche zeichnerisch dar. Bertha dagegen bewältigt die grünen Stationen in wenigen Minuten – sie möchte sich schon mit der Addition auseinandersetzen.

Beide Schüler arbeiten unabhängig voneinander auf ihrem Leistungsstand. Dieser Aspekt ist nicht zu verachten! Als Lehrer habe ich nun den Freiraum, mich nur mit den Kindern zu beschäftigen, die gerade meine Hilfe brauchen. Nur weil Emil eine Frage hat, muss Tilo ja nicht stumm dasitzen und mir zuhören. Weder muss Bertha gelangweilt danebensitzen, während Aaron zum dritten Mal erklärt wird, was Zähler und was Nenner ist, noch muss Aaron gelangweilt ertragen, wie der Lehrer vorne mit Brüchen hantiert, ohne dass er, Aaron, auch nur einen Satz von dem versteht, was da vorne erzählt wird. Jeder Schüler hat erst dann mit mir zu tun, wenn er konkret Hilfe benötigt.

Aufbau des Workshops – Einführung in die Arbeit mit Lerntheken

Der Workshop soll einen Überblick über die Methode ‚Lerntheke‘ liefern. Wie funktioniert sie, was sind Grundelemente und welche Hürden gilt es zu überwinden? Wie gestalte ich zügig differenzierendes Material? Diese und weitere Fragen sollen beantwortet und diskutiert werden. Jan-Martin Klinge bietet Hilfen, zahlreiche Beispiele aus seinem Alltag und Material zum Einstieg in einen neu durchdachten Mathematikunterricht.

Über den Teilgeber Jan-Martin Klinge

Jan-Martin Klinge arbeitet seit 2012 an der Gesamtschule Eiserfeld in Siegen und unterrichtet neben Mathematik und Physik und Arbeitslehre Technik. Klinge führt einen weitreichenden Internetblog über den Berufsalltag des Lehrers mit einem Schwerpunkt auf Inklusion und Unterrichtsentwicklung und schreibt dazu Artikel und bietet Workshops an. Er schreibt seit Jahren immer wieder für verschiedene Printmedien, ist Buchautor und war Gast u.a. bei Günther Jauch zum Thema Inklusion. Jan-Martin Klinge ist zum zweiten Mal Teilgeber beim excitingEDU.

Weiterführende Links

https://www.facebook.com/JanMKlinge
http://halbtagsblog.de