Fortnite und digitale Bildung: Rückblick auf ein Missverständnis

Fortnite und digitale Bildung: Rückblick auf ein Missverständnis
13
Mai

Wie so oft in den sozialen Netzwerken begann alles mit einem (kleinen) Missverständnis. Im Rahmen des Kurzformats „One Best Thing“ auf der #excitingedu regional Veranstaltung im baden-württembergischen Donzdorf, legte der Lehrer und Medienpädagoge Julian Ruckdäschel kurz dar, welche Ansätze das Online-Strategiespiel „Fortnite“ für die Unterrichtsgestaltung geben kann und welche „21st century skills“ Schüler*innen hieraus übernehmen können.

Wir twitterten versehentlich allerdings folgende Botschaft: „Julian Ruckdäschel erklärt im Rahmen der Rubrik „One best thing“, wie sich Fortnite im Unterricht einsetzen lässt.“

Die Realität ist differenzierter als 280 Zeichen

Es entstand also der Eindruck, dass es vordergründig darum ging, wie sich das Spiel im Unterricht einsetzen lässt. Dies war, wie eingangs beschrieben, keineswegs der Fall. Julian Ruckdäschel setzte das Spiel in Kontext mit dem im Bildungsdiskurs bekannten 4K-Modell (Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und Kritisches Denken) und ging unter anderem auf unterschiedliche kollaborative Nutzungsmuster ein, die das Spiel anstößt.

Wie das in den sozialen Netzwerken – und vor allem auf Twitter – häufig so ist, entbrannte schnell eine Diskussion, die wenig mit dem eigentlich Gesagten zutun hatte. Einige User*innen kritisierten den Vortrag scharf – obwohl sie selbst gar nicht vor Ort waren. Von „Bullshit“ über „Ober-Katastrophe“ bis zum Gehen „der Hutschnur“ war da die Rede. Diejenigen hingegen, die dabei gewesen sind, äußerten sich danach sehr positiv.

Schüler*innen in ihrer Lebensrealität abholen?

Nun gehören eine gewisse Betriebstemperatur und Empörungsaffinität ja zu Twitter wie die Henne zum Ei (oder war es andersherum?). Und nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, wie sich aus dem Tenor der weiteren Kommentare herauslesen ließ. Es ging schlichtweg um die Frage, inwieweit Lehrende Schüler*innen in deren Lebenswelt abholen bzw. an diese anknüpfen sollten. In einem zwei Wochen nach dem Vortrag geführten Interview, geht Julian Ruckdäschel auf diese Frage ein:

„Diese Frage hat in meinen Augen gar nicht so viel mit meinem Vortrag zu tun. Sich an der Lebensrealität der Schüler zu orientieren war schon Bestandteil in meinem Studium vor über 10 Jahren. Mit dieser Frage wurde mir eher eine Forderung unterstellt, die ich so gar nicht getätigt habe: „Spielt Fortnite in der Schule.“ Das ist so natürlich quatsch. Aber ich glaube, dass ein Spiel, das so viele Kinder derart begeistert und zum Lernen motiviert, einiges richtig macht. Daher ist meine Forderung: ‚Lasst uns die Mechaniken, die Fortnite verwendet, analysieren und überlegen, ob diese auch in der Schule angewendet werden können.‘“

(Das komplette Interview mit J. Ruckdäschel findet ihr hier)

Alte Diskussion mit neuer Dringlichkeit

Die Diskussion um die Adressierung der Lebenswelt bzw. -realität von Schüler*innen ist indes keine neue. Sie ist so alt, wie die Bildungsinstitution selbst. Mit Blick auf die grundlegenden technologischen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte, mag sie aktuell dringlicher denn je erscheinen. Social-Media-Plattformen, Online Games,Instant Messenger, aber auch damit einhergehende Phänomene, wie etwa Identitätsdiebstahl oder Cybermobbing, sind zum festen Bestandteil der Lebensrealität heutiger Schüler*innen geworden. Wo also, wenn nicht in der Schule, sollte der richtige Umgang mit diesen Technologien und Phänomenen thematisiert werden? Wo die Fähigkeiten gelehrt, die junge Menschen benötigen, um sich sicher und selbstbestimmt durch eine immer stärker digitalisierte Welt zu bewegen?

Ist es daher nicht gerade sinnvoll, sich mit Formaten zu beschäftigen, die sich bei Kindern und Jugendlichen hoher Popularität erfreuen und diese auf sinnvolle Strategien und Handlungsabläufe hin  zu analysieren? Am Ende kann natürlich ein – gemeinsam mit den Schüler*innen erarbeitetes – gemischtes Ergebnis stehen. Klassische Vor- und Nachteile eben. Nicht umsonst ist der Gamification-Ansatz in den letzten Jahrzehnten sowohl in außerschulischen Lern- und Lehrorten als auch in der Schule immer populärer geworden.

Nutzen, was vorhanden ist?

Zudem stellt sich noch eine andere, rein praktische Frage: Womit digitale Bildung vermitteln, wenn die Mittel fehlen? Es ist beileibe kein Geheimnis, dass es nach wie vor bei vielen Schulen an der technischen Infrastruktur wie auch den personellen Ressourcen für adäquate digitale Bildungsmöglichkeiten mangelt. Kann die Bezugnahme auf und kritische Einbindung bzw. Thematisierung der außerschulischen digitalen Aktivitäten von Schüler*innen nicht auch einen pragmatischen Weg darstellen, relevante Digitalkompetenzen zu vermitteln?

Die Antworten auf diese Fragen sind nicht einfach und die Meinungen hierzu gehen auseinander. Ein Grund mehr also, für vernünftige, ergebnisoffene Diskussionen, die Themen und Ansätze von allen Seiten betrachten. Genau zu dieser möchten wir euch gern einladen: Was denkt ihr zum Thema? Inwieweit bindet ihr die außerschulische Lebensrealität eurer Schüler*innen in den Unterricht ein? Sagt uns eure Meinung bei Twitter (#excitingedu).

Tobias Börner