Unterrichten in Corona-Zeiten mit Microsoft-Teams – ein Praxisbericht

Unterrichten in Corona-Zeiten mit Microsoft-Teams – ein Praxisbericht
20
Apr

Viren kannten wir in Schulen bis Corona, neben seiner Verwendung im Fach Biologie zumeist als Computerschädlinge, verbunden mit dem Ratschlag, die Computer während eines Virenbefalls nicht zu nutzen. Nun ist die Situation aber eine komplett andere – der SARS-CoV-2-Virus treibt alle Schulen an die Computer und verstärkt in die Digitalisierung.

Viele Schulen traf der Virus in Sachen Digitalisierung unvorbereitet bzw. zu früh und seitdem kämpfen sie mit der Aufgabe, ihren Unterricht als „lernbegleitendes Angebot“ oder „Distance Learning“, zumindest in einer Grundform zu ermöglichen, um auch in Zeiten des „Social Distancing“

  • Lerninhalte weiter vermitteln zu können und
  • einen strukturierten Alltag für die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte aufrecht zu erhalten.

Noch dominieren asynchrone Lernformen

Viele Lehrkräfte und Schulen, die sich bisher nicht oder nur wenig mit dem Konzept des „Distance Learning“ auseinandergesetzt haben, nutzen zurzeit vorwiegend E-Mails, um den Schülerinnen und Schülern Aufgaben zu übermitteln und um mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Dies geschieht entweder über eine schon vorhandene Lernplattform an der Schule; über die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte mit schuleigenen Mailadressen ausgestattet sind. Oder sie nutzen externe Dienste wie WhatsApp oder private Mailadressen, obwohl dieser Einsatz externer Dienstleister für die Kommunikation in Schulen verboten ist. Aber es immer noch besser so zu kommunizieren, als gar keinen Kontakt zu haben.

Allerdings halte ich diese Formen der asynchronen Kommunikation aber nicht für sehr lernfördernd, da die Schülerinnen und Schüler die Aufgaben zu Hause alleine bearbeiten müssen ohne Unterstützung durch die Lehrkräfte. Sie können nicht direkt nachfragen, sondern besitzen nur asynchrone Nachfragemöglichkeiten per Mail. Und wann genau sie dann mit der Antwort rechnen können, ist nicht immer vorhersehbar. D. h., die Schülerinnen und Schüler erhalten aktuell im Lernprozess zumeist nur aus ihrem sozialen Umfeld Hilfe– sprich von den Eltern, den Geschwistern oder im Austausch mit Mitschülerinnen und -schülern. Dies geschieht „klassischerweise“ über WhatsApp. Es gibt aktuell wohl kaum eine Klasse, die ohne WhatsApp als schnelle Kommunikationslösung unterwegs ist – natürlich ohne Lehrerbeteiligung, was sowohl rechtlich als auch pädagogisch richtig ist. Die soziale (in Corona-Zeiten die sozial-virtuelle) Komponente – der Dialog mit den Lehrkräften – fehlt. Beschwerden von Eltern über diese Art des Lernens – Aufgabe per Mail verteilen, Bearbeitung der Aufgabe ohne Unterstützung, Abgabe der Aufgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt – gibt es vielfach. Häufigstes Argument gegen diese Form des Unterrichts ist die Überforderung der Schülerinnen und Schüler, aber auch die der Eltern. Die Kinder und Jugendlichen erhalten von den Lehrkräften Aufgaben mit einem Abgabedatum und müssen schauen, wie sie damit zurechtkommen. Aber das kann auch anders gehen. Wie das an unserer Schule ausschaut, möchte ich Ihnen hier nun kurz vorstellen.

Synchrone Lernformen in Coronazeiten – das Konzept school@home des Erich-Gutenberg-Berufskollegs (EGB) in Köln

Nicht wenige Schulen – wie z. B. das Erich-Gutenberg-Berufskolleg in Köln (EGB) – beschäftigen sich schon seit längerer Zeit mit dem Thema „Distance Learning“. Das EGB verfolgt hierzu seit vielen Jahren ein eigenes Konzept, bei unserer Schule heißt es school@home. School@home sind bei uns im klassischen Schulalltag Projekttage mit Berufsschulklassen, um damit die Kompetenzen Kommunikation und Kollaboration/Zusammenarbeit zu fördern. Die zwei Ks – Kommunikation und Kollaboration – gehören zum 21st Century Skills-Modell. Technisch haben wir das Konzept 2013 zunächst mittels Skype und der Lernplattform Office 365 umgesetzt, heute arbeiten fast alle Berufsschulklassen und viele Vollzeit-Bildungsgänge am EGB mit Microsoft Teams.

Auf der Basis dieser Technologie realisiert unser E-Commerce-Bildungsgang nun zu Corona-Zeiten ein „begleitendes Lernangebot“, dass sich zu fast 100 Prozent dem normalen Stundenplan annähert. Die Teilnahmequoten der Schülerinnen und Schüler liegen derzeit in den E-Commerce-Klassen bei über 95 Prozent! Vielen Dank an dieser Stelle an die Ausbildungsbetriebe, die ihren Auszubildenden in diesen schweren Zeiten ein zusätzliches Stück Normalität und Stabilität durch die Teilnahme hieran ermöglichen, denn dies ermöglicht den Auszubildenden in diesem Bildungsgang ein durchgängiges Lernen und Arbeiten ohne Papier.

Wie wird es gemacht?

Alle Dokumente werden in einer Sharepoint-Bibliothek innerhalb von Microsoft Teams digital gespeichert. Kommunikation und Koordination im Schulalltag erfolgen komplett über Mail und Chat innerhalb von Teams. Teams-Sitzungen – geplant über den digitalen Kalender – ermöglichen synchronen Unterricht mit Einzel- oder Gruppenarbeit, die Besprechung von Lernergebnissen im Plenum, die Einbindung weiterer Software über das Teilen von Bildschirmen bis hin zur Rechnerübernahme. Unterrichtssequenzen – bspw. Vorträge von Schülerinnen und Schülern oder von Lehrkräften – werden aufgezeichnet und stehen als Lernmaterial, zur Lernsicherung oder als Informationsmaterial für fehlende Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. Die Resonanz auf diese alternative Unterrichtsform ist positiv – in Evaluationen sprechen die Schülerinnen und Schüler sogar von einem effektiveren Unterricht als früher.

Konkret: Wie sieht eine Unterrichtsstunde im E-Commerce-Bildungsgang aus?

Um die Struktur des Unterrichts in diesem Bildungsgang nachvollziehen zu können, sind einige Vorinformationen notwendig. Der Unterricht im E-Commerce-Bildungsgang erfolgt lernfeldbezogen, d. h. die Lehrkräfte unterrichten nach dem Staffelstab-Prinzip. Der Stundenplan ist nicht nach Fächern strukturiert, sondern die Lernfelder werden nacheinander unterrichtet. Das bedeutet, dass mehrere Lehrerinnen und Lehrer das gleiche Lernfeld unterrichten und somit immer an der Vorstunde inhaltlich anknüpfen müssen. Damit das gelingt, protokollieren sie jede Stunde in einem OneNote-Dokument, das in einem Lehrer-Teams eingebunden ist. Die Abstimmung fällt derzeit sogar leichter als im klassischen Präsenzunterricht, da die Kolleginnen und Kollegen in den Pausen Kurz-Videokonferenzen halten, um die Übergabe zu besprechen. Im klassischen Schulalltag ist dies deutlich schwieriger aufgrund der weiten Wege durch einen Klassenraumwechsel oder sonstiger Störungen durch Gespräche.

Größere Lernfelder werden auch projektbezogen und fächerübergreifend – losgelöst vom 45-Minuten-Rhythmus – unterrichtet. Die E-Commerce-Klassen arbeiten vom ersten Tag an im BYOD-Konzept des EGB, d. h. jede Schülerin und jeder Schüler bringt sein eigenes mobiles Endgerät mit und diese docken an die Lernplattform Office365 an. Das Ergebnis: ein papierloser Unterricht.

Stundenprotokoll für Staffelstab-Prinzip in Microsoft Teams
Stundenprotokoll für Staffelstab-Prinzip in Microsoft Teams

Typischer Unterrichtsverlauf

8:00 Uhr: Unterrichtsbeginn, doch Stopp – der Lehrer ist meist bereits um 7:45 Uhr in der Teams-Sitzung und begrüßt die nacheinander eintreffenden Schülerinnen und Schüler. Es wird sich über das Befinden erkundet und man tauscht Erlebnisse und Geschichten aus, die man derzeit erlebt und diskutiert über das fehlende Klopapier.

8:05 Uhr: Es geht mit dem Unterricht los und das heutige Programm wird besprochen. In einer Klasse steht derzeit das Thema Online-Marketings-Maßnahmen an. Auf der Basis der in der letzten Stunde gesammelten Informationen über das Thema wird die Klasse in Gruppen aufgeteilt und die Gruppen erhalten arbeitsteilige Aufträge. Die Aufgabe lautet neben der Recherche des Themas die Erstellung einer Präsentation zum Thema mit max. 15 Minuten Vortragszeit. Parallel dazu wird ein Kriterienkatalog in Form einer Tabelle abgespeichert, die alle Gruppen während ihrer Arbeitszeit füllen sollen. Der Kriterienkatalog dient der besseren Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Maßnahmen. Der Bearbeitungszeitrahmen wird abgestimmt und die Gruppen beginnen mit ihrer Arbeit. Nächstes gemeinsame Treffen wird für 9:15 Uhr festgelegt. Die Gruppen eröffnen ihre Arbeitsumgebungen – meist als neuer Chat in Teams. Hier können mehrere Personen per Audio-/Videokonferenz sprechen und sie haben auch einen eigenen Dateibereich zum Speichern. Zwischenzeitlich verbindet sich der Lehrer mit den einzelnen Gruppen und erkundigt sich nach deren Arbeitsstand oder steht für Fragen zur Verfügung. Zwischenzeitlich kommt eine Frage über den Teamchat rein, die kurz beantwortet wird. Nachdem alle Gruppen besucht wurden, nähert man sich 9:15 Uhr und alle kehren in die Teams-Sitzung zurück.

9:15 Uhr: Blitzlicht aller Gruppen, ein Gruppenmitglied gibt einen kurzen Überblick über den Arbeitsstand und die noch benötigte Zeit.

9:30 Uhr – 9:50 Uhr: Pause

9:50 Uhr: Lehrerwechsel! Alle Gruppen benötigen noch max. 60 Minuten, d. h. die Gruppenarbeit geht weiter und die Lehrkraft führt einzelne Videokonferenzen mit den Gruppen – nächstes gemeinsames Treffen 10:50 Uhr.

Vortrag einer Schülergruppe in Microsoft Teams
Vortrag einer Schülergruppe in Microsoft Teams

10:50 Uhr: Alle Gruppen haben ihre Arbeiten beendet und die Ergebnisse in Teams-Sharepoint hochgeladen. Nun beginnen die Vorträge der einzelnen Gruppen. Es wird vorher gemeinsam festgelegt, dass man sofort Rückfragen halten kann während der Präsentationen – Einwurf entweder per Mikrofon oder aber per Chat. Es gibt immer mal wieder Probleme mit den Mikrofonen – dann wird auf den Chat ausgewichen. Zum Ende jeder Präsentation werden Ergänzungen weiterer Gruppen hinzugefügt, fehlende Lerninhalte werden von der Lehrkraft ergänzt.

Zwischendurch erfolgen drei kleine Sporteinheiten der bewegten Pause. Der Protokollant dieser Stunde wählt drei Sporteinheiten aus, zeigt sie der Klasse per Video und die Klasse macht mit.

11:30 Uhr – 11:50 Uhr: Pause

11:50 Uhr: Es folgen weitere Vorträge der Gruppen mit Besprechungen und Zusammenfassungen.

13:00 Uhr: Ende des heutigen Angebots. Ein paar Gruppen haben noch nicht vorgetragen, d. h. nächste Stunde geht es weiter…

Office 365 in seiner Cloud-Variante (Plan A1 – Stand 03/2020) steht grundsätzlich allen Schulen kostenlos zur Verfügung. In Köln wurde Office 365 seitens des Schulträgers allen Berufskollegs zur Verfügung gestellt. Voraussetzung für die Nutzung ist die Berücksichtigung der Datenschutzvorgaben. Office 365 hat sich – besonders in Corona-Zeiten – durch eine gute Performance, Stabilität und einer hohen Nutzungsindividualität durch die Vielzahl der angebotenen Dienste bei uns an der Schule bewährt.

Fazit

Die Bedeutung einer Lernplattform für Schulen wird uns gerade jetzt in dieser schweren Zeit sehr deutlich vor Augen geführt. Schuleigene Mail-Adressen ermöglichen eine Kommunikation zwischen Schülerinnen und Schülern und/oder Lehrkräften und/oder Eltern ohne externe Dienste wie WhatsApp oder andere Messenger-Dienste. Das Lernen beschränkt sich heute und auch morgen – nach dem Corona-Virus – nicht mehr nur auf die Schule, sondern findet an vielen weiteren Lernorten (zu Hause, dem Ausbildungsunternehmen) statt – und irgendwann auch wieder auf dem Weg zur oder von der Schule, bei Freunden oder im Urlaub. Lernplattformen als zentrale Infrastruktur einer Schule sind das Lernkonzept der Zukunft.

Detlef Steppuhn

Lesetipp

Buch-SmartSchool-Cover
Detlef Steppuhn
Detlef Steppuhn

Eine ausführliche Beschreibung zum school@home-Konzept findet sich im Buch „SmartSchool die Schule von morgen“.

Detlef Steppuhn ist Leiter Neue Technologien und Medien am Erich-Gutenberg-Berufskolleg in Köln