Die Rolle von Medien in der Kindesentwicklung

Die Rolle von Medien in der Kindesentwicklung
19
Aug

Medien in der Kindheit

Zur Rolle und Bedeutung von Medien im Alltag von Kindern

Unterschiedlichste Medien gehören heute auf vielfältige Weise zur Alltagswelt von Kindern und spielen eine bedeutsame Rolle bei altersspezifischen Entwicklungsaufgaben. Insbesondere zwei Medien – nämlich Fernsehen und Computerspiele – haben dabei eine herausragende Rolle, die dieser Artikel eingehender beleuchtet.

Von Sonja Ganguin

Im Frühling lag draußen vor der Hofeinfahrt ein großer Wiedhaufen, den die Mutter mit dem Hackl in Bündel hackte. Da spielten wir Kinder, krabbelten auf dem Haufen herum, da wimmelte es nur von Kindern.

Dieser kurze autobiografische Auszug aus „Herbstmilch – Lebenserinnerungen einer Bäuerin“ von Anna Wimschneider (1985, S. 5) gibt einen Einblick, wie Kindheit in Deutschland vor 80 Jahren noch sein konnte. Bei den romantischen Assoziationen, die dieses Eingangszitat weckt, dürfen aber die damaligen harten Lebensbedingungen keinesfalls vergessen werden. So übernahm die achtjährige bayerische Bauerntochter 1927 die Aufgaben der Bäuerin auf dem väterlichen Bauernhof.

An diesem Beispiel zeigt sich, dass sich Lebensraum und –umstände von Kindern während der letzten (zwei) Generationen deutlich gewandelt haben. Während sich Kinder früher vornehmlich mit den Dingen der Natur beschäftigt haben, sind es heute oftmals andere Dinge, die im Vordergrund ihres Lebensalltags stehen: Dies kann der Sportverein oder die Musikschule sein, das Spielen mit Freunden im Garten oder die Beschäftigung mit Medien. Dabei verweisen vor allem die kindliche Beschäftigung und der Umgang mit Medien auf einen enormen Wandel, der sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat. Im Gegensatz zu der Zeit, in der die Bauerntochter Anna Wimschneider aufgewachsen ist, sind Medien heute fast allgegenwärtig. Beim Frühstücken wird etwa Zeitung gelesen, Radio gehört oder Frühstücksfernsehen geschaut. In der Schule halten neben dem klassischen Medium Buch zunehmend digitale Medien wie der Computer Einzug, und die „alte“ Schultafel wird durch interaktive Whiteboards ersetzt. Auf dem Schulhof werden Sammelkarten von fantastischen Fernsehgeschichten oder Filme und Musik auf dem Handy getauscht. In ihrer Freizeit spielen Kinder und Jugendliche mit ihren Freunden Computerspiele, diskutieren über den neuesten Kinofilm und hören sich gemeinsam Musik an. Auch der Computer und das Internet sind mittlerweile in Haushalten mit Kindern keine Seltenheit mehr.

Aufgrund der Fülle und Vielfalt der Medien, die im Aufwachsen von Kindern eine Rolle spielen, lässt sich Kindheit heute auch als Medienkindheit begreifen. Weitere Autoren sprechen von Medienwelten, in denen Kinder heute aufwachsen (Baacke/Sander/Vollbrecht 1991). Der Kommunikationsalltag und die lebensweltlichen Bedingungen sind heute so von Medien derart durchdrungen, dass diese an der Konstruktion sozialer Welt genuin mitwirken. Dieser Beitrag nimmt den Medienumgang von Kindern ab dem Grundschulalter in den Blick und skizziert dabei zugleich die Bedeutung von Medieninhalten für die kindliche Entwicklung. Neben dem Fernsehen – dem heutigen Leitmedium im Kindesalter – spielen insbesondere Computerspiele eine wichtige Rolle.

Mediennutzung von Kindern

Am bedeutsamsten bei der Betrachtung der Mediennutzung im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern erweist sich ihre Familie, weil dort erste Medienerfahrungen gesammelt werden. Das Kind erlebt hier nicht nur erste emotionale und soziale Kontakte, sondern erlernt auch den Umgang mit Medien, wobei allerdings auch die gleichaltrigen Freunde eine große Rolle spielen. Kinder wachsen heutzutage in einer häuslichen Umgebung auf, die eine – im Vergleich zu gar nicht so lange zurückliegenden Zeiten – immense Medienausstattung aufweist. Darüber hinaus sind Medien zu verlässlichen Begleitern des kindlichen Alltags geworden – „Alltag und Medien durchdringen sich“ (Bachmair 1996, S. 11). Wissenschaftliche Studien beobachten die Mediennutzung heute im Zusammenhang mit der individuellen Lebenswelt; statt allein nach kausalen Wirkungen wird dabei heute vermehrt nach der Bedeutung der Medien und ihrer Inhalte für die Nutzenden gefragt. 1 Die Medien werden nicht mehr nur als Manipulationsmittel gesehen, sondern als Mittel zur Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse (s. Nutzenansatz). In diesem Zusammenhang wird der Medienkonsum als eine aktiv realitätsverarbeitende Handlung verstanden, die einen sozialen Ursprung hat und folglich erlernt wird. Diese Sichtweise stellt in den Vordergrund: Mediennutzung findet in sozialen Situationen statt und bildet eine Form heutigen sozialen Handelns ab.

Leitmedium Fernsehen

Kinderfernsehen kann aus verschiedenen Blickwinkeln noch immer als Leitmedium angesehen werden; dies zeigen auch die aktuellen Nutzungszahlen. Dabei lässt sich Kinderfernsehen vom Medium her verstehen; demnach wären es die als Kinderprogramm konzipierten und ausgestrahlten Sendungen. Kinderfernsehen aus dem Blickwinkel von Eltern und Pädagogen wiederum meint für Kinder geeignete Programme. Kinder schauen sich jedoch auch Programme an, die nicht für sie konzipiert sind (sog. „heimliches“ Kinderprogramm). Entsprechend bedeutet Kinderfernsehen aus der Perspektive der Kinder das, was sie gern und viel sehen – unabhängig davon, ob dies auch der Erwachsenensicht von Kinderfernsehen entspricht. Oder wie es Gert Kaspar Müntefering, der Entwickler der Kindersendung „Die Sendung mit der Maus“, ausdrückt: „Kinderfernsehen ist, wenn Kinder fernsehen“ (zitiert nach: Gottberg 1997, S. 9).

Auswahl und Rezeption von Fernsehinhalten

Betrachtet man das von Kindern keinesfalls wahllos favorisierte Fernsehprogramm, dann steht vor allem Spaß – im Sinne von Humor und Spannung – obenan. Dabei scheint der Humor im Fernsehen eines der wichtigsten Kriterien für die Auswahl von Fernsehinhalten von Kindern beider Geschlechter zu sein. Humor beinhaltet die Funktion des Verstoßes gegen Normen und Tabus, womit festgeschriebene Verhältnisse von Macht und Ohnmacht – die zu den handlungsleitenden Themen von Kindern zählen – relativiert werden. Neben seinem Unterhaltungswert ist Humor dabei das wichtigste Element der Spannungsreduktion, denn jede „Angst hat einen Gegenspieler, nämlich den Humor“ (Titze 1995, S. 24). Fernsehen ist nicht nur passive Rezeption. Vielmehr erlernen Kinder aus Fernseherzählungen Normen, Werte und Rollenbilder.

Die medialen Geschichten laden zur Reflexion der eigenen biografischen Erfahrung ein, denn „Medien bestärken die Menschen in der Art und Weise, wie sie sich zu sich und zur sozialen Wirklichkeit einstellen“ (Bachmair 1996, S. 299). Das gilt insbesondere für Kinder, denn sie benötigen in besonderer Weise Vorbilder, Identifikationsangebote und Orientierungshilfen. Insbesondere Programmangebote, die personenzentriert sind, halten Identifikationsmöglichkeiten bereit; dies können vor allem Heldengeschichten leisten. „Kinder verlangen nach attraktiven Helden, die sie – virtuell – an die Hand nehmen und ihnen einen Weg durch die Schwierigkeiten ihres Identitätsaufbaus“ (Paus-Haase 1999, S. 163) weisen. So sind Heldenbilder für die Sozialisation von Kindern von zentraler Bedeutung, denn durch sie reflektieren sie im Prozess der Identifikation mit Medienfiguren und -themen sowohl die eigene aktuelle Lebenssituation als auch die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Aus diesem Grund sind die Wahl und die Wahrnehmung von Medienhelden eng verknüpft mit kindlichen Bedürfnissen (vgl. Baacke 1999). Helden repräsentieren bestimmte Ideale, Werte, Normen und Rollenbilder in einer spezifischen historischen Zeit. Sie können sowohl positive wie negative Normen und Ideale verkörpern oder aber neue, indem sie alte Wertvorstellungen infrage stellen. Kinder bevorzugen nicht unbedingt einen bestimmten Helden oder eine bestimmte Heldin. Meist sind sie von mehreren Medienfiguren fasziniert.

Aktuell entfallen die meisten Nennungen auf Miley Cyrus (alias „Hannah Montana“), Lena Meyer-Landrut sowie die Fußballstars Lukas Pudolski, Bastian Schweinsteiger oder Michael Ballack (vgl. MPFS 2011, S. 18). Dabei betrachten die Kinder häufig „nur bestimmte Merkmale und Eigenschaften der Helden, die für sie wichtig sind“ (Bischoff/Anton 1997, S. 42). Aus den vielen verschiedenen Heldenangeboten im Fernsehen wählen die Kinder jeweils diejenigen Eigenschaften der Helden aus, die gerade in ihrer aktuellen Lebenssituation relevant sind.

Durch solche medialen Identifikationsfiguren eröffnet sich Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich an Vorbildern zu orientieren oder sich von ihnen abzugrenzen. Somit finden in der Medienrezeption sowie über die Identifikation mit Helden Sozialisationsprozesse statt. Dabei entspricht der Kampf „Gut“ gegen „Böse“ für Kinder seit jeher einem zentralen kindlichen Denkschema. Denn Menschen operieren im Kindesalter nach klaren moralischen Kategorien; komplexere Sichtweisen und differenzierte moralische Urteile entwickeln sich erst später. Früher wie heute werden in Märchen und Mythen die Helden – die „Guten“ und die „Bösen“ – für Kinder real und anschaulich. Dies erklärt auch die aktuelle „Renaissance“ medialer Heldenepen wie etwa der „Star-Wars“-Filme aus den 1970er- und 80er-Jahren, die bei heutigen Kindern ungeheuer beliebt sind (s. a. S. 26 – 28) und ein reges Sammelkartentauschgeschäft auf Schulhöfen hervorgerufen haben.

Die Rolle des Fernsehens im Alltag

Die Alltäglichkeit des Fernsehens und die Einbettung seiner Rezeption in die Strukturen des Alltagshandelns verdeutlichen den Stellenwert des Mediums und seiner Inhalte als thematische und kommunikative Ressource im Leben von Kindern. Dies zeigt sich etwa am eben angesprochenen Tauschen von Sammelkarten oder am Diskutieren über das gestern gelaufene Fernsehprogramm. Auch Gespräche über Medienereignisse müssen in das Medienhandeln von Kindern eingerechnet werden und bedeuten für sie einen wesentlichen Bestandteil alltäglicher Unterhaltung. Zentral ist dabei, dass es sich bei den Mediengesprächen mit Freunden um thematisch für den eigenen Alltag relevante Fernsehtexte handelt (vgl. Mikos 1994, S. 115). Über interpretierende und re-inszenierende Gespräche über Medienerlebnisse wird für Kinder die Identität der beteiligten Individuen auf der Basis intersubjektiv geteilter Normen, Werte und Rollenmuster ausgehandelt oder bestätigt.

Computerspielnutzung

Betrachtet man die Mediennutzung von Kindern für unterschiedliche Altersgruppen, so zeigt sich eine „deutliche Entwicklung weg vom Fernseher und hin zum Computer“ (MPFS 2011, S. 15). Dabei nutzen Kinder den Computer als „Allround-Medium“: Er ist für sie zugleich Spiel-, Arbeits- und Lernmedium (s. dazu die Daten im Kasten auf S. 7). Insgesamt ist jedoch die Computerspielnutzung die beliebteste Freizeittätigkeit von Kindern beiderlei Geschlechts.

Bevorzugte Computerspiele

Bei den Computerspielen haben die Kinder klare Favoriten:

Auf dem ersten Platz – der vor allem auf das Konto der Jungen geht – liegt das Fußballspiel „FIFA“, das man alleine oder gemeinsam mit Freunden spielen kann. Fast jeder fünfte männliche Spieler zählt es zu seinen Lieblingsspielen. Das Spiel ist durch den Weltfußballverband FIFA lizenziert und lässt sich auf unterschiedlichen Plattformen spielen: auf dem PC, Konsolen, Handhelds oder modernen Handys. Die Sportsimulation ist um eine (auch grafisch) möglichst realistische Darstellung des Fußballsports analog zur realen Fußballwelt bemüht. Der Spieler findet viele bekannte Vereine und Ligen mit aktuellen Spielerdaten. Er muss sich an sportliche Regeln halten und seine Spielfiguren fair durch das Spiel führen.

Mädchen favorisieren das Computerspiel „Die SIMS“, eines der meistverkauften PC-Spiele weltweit. Hier geht vornehmlich darum, Häuser zu bauen, Freundschaften zu schließen und Geld zu verdienen. Soziale Beziehungen und menschlicher Alltag werden spielerisch simuliert. Das Spiel wartet in seinen unterschiedlichen Versionen mit klassischen Simulationsaufgaben auf. Die Spielumgebung ist bunt und freundlich, und die sympathischen Spielfiguren bieten positive Identifikationsmöglichkeiten.

Beide Beispiele machen deutlich, dass Kinder Spiele bevorzugen, deren Inhalte thematische Bezüge zu ihrer Lebenswelt aufweisen sowie kindliche Bedürfnisse und Interessen widerspiegeln (vgl. dazu das Konzept der strukturellen Kopplung). Dabei zeigt sich auch am Beispiel des Computerspiels „FIFA“ ein deutlicher Zusammenhang zwischen favorisierten Vorbildern, Idolen und Helden aus dem Fernsehen sowie der Auswahl der Spiele. Ähnlich wie bei der kindlichen Fernsehnutzung findet ein Ausprobieren von Rollen statt, und Mediengespräche mit Freunden werden über Spiele initiiert. Darüber hinaus erfreut sich das Spielen mit Anderen zunehmender Beliebtheit. Das gemeinsame Spielen mit Kindern ist somit auch ein geeigneter Ansatzpunkt für einen medienbezogenen Dialog, bei dem Erziehungsberechtigte ihre Aufgabe wahrnehmen können, aufzuklären und gleichzeitig die kindlichen Bedürfnisse ernst zu nehmen.

Computerspiele in der Diskussion

Obwohl Computerspiele heute fester Bestandteil kindlichen Alltags sind und man in diesem Zusammenhang von einer digitalen Spielkultur sprechen kann (vgl. Ganguin/Hoffmann 2010), dominiert in der Diskussion um Computerspiele häufig eine einseitige Sicht. Oft überwiegt eine negative Wahrnehmung, die besonders gewalthaltige Spiele sowie Gefahren wie Suchtverhalten und Verwahrlosung in den Blick nimmt. Diese einseitige Perspektive hat sich seit den letzten Jahren allerdings etwas geändert, u. a. seit 2008 durch den Deutschen Computerspielpreis. Derzeit wird der Preis in sieben Kategorien vergeben, z. B. „Bestes Deutsches Spiel“, „Bestes Kinderspiel“, „Bestes Jugendspiel“ oder „Bestes Serious Game“ – wobei letztere Spiele nicht nur unterhalten wollen, sondern auch bilden (vgl. Lampert/Schwinge/Tolks 2009, S. 1).

Lernen durch Computerspiele?

Im Gegensatz zu „normalen“ Computerspielen beinhalten die sog. „ernsten Spiele“ (Serious Games) eine pädagogische Intention. So sind dies Spiele, die einen kindlichen Lebensweltbezug aufweisen, die kritische Reflexion fördern, Werte und Wissen vermitteln, Lernprozesse anregen und unterstützen oder bestimmte Kompetenzen fördern. Die Kompetenzdimensionen von Computerspielen lassen sich – folgt man Gebel, Gurt und Wagner (vgl. Gebel/Gurt/ Wagner 2004) – in fünf Bereiche gliedern: kognitive Kompetenzen, soziale Kompetenzen, personale bzw. persönlichkeitsbezogene Kompetenzen, Medienkompetenz und Sensomotorik.

In diesem Sinn können Computerspiele Fähigkeiten von Kindern fördern und leisten so einen bedeutsamen Beitrag im Sozialisationsprozess. Insgesamt ist das Interesse an den Serious Games in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies zeigt sich an der Anzahl der auf dem Markt erhältlichen Produkte wie auch am wachsenden Interesse der Wissenschaft mit einer zunehmenden Anzahl von Forschungsvorhaben. Allerdings ist neben den gerade aufgezeigten Potenzialen von Computerspielen aus wissenschaftlicher Sicht auch kritisch zu prüfen, wo die Grenzen dieses Ansatzes liegen: Es muss u. a. auch die Frage gestellt werden, ob das Ergebnis des Lernens im Spiel den Zeit- und Arbeitsaufwand für das Spielen rechtfertigt (van Eck 2006). Zudem muss das Potenzial immer kritisch vor folgenden Hintergrund geprüft werden muss (s. Meier/Seufert 2003):

• Zielgruppe: Wen möchte ich mit den Spielen erreichen?
• Lernmotive der Zielgruppe: Was möchte sie lernen? Kann das Spiel das bieten?
• Sind die Lernelemente so in das Spiel integriert, dass beim Spielen etwas gelernt werden muss? Oder ist zu viel Lerninhalt im Spiel, so dass es keinen Spaß mehr macht?

Bezüglich der Zielgruppe zeigte z. B. eine Studie, dass 42,5 % der befragten Studierenden den sog. Serious Games abgeneigt gegenüber stehen und nicht auf diese Weise lernen
wollen. Sie sind also nicht offen für die Integration von Spielen in Lernkontexte (vgl. Ganguin 2010). Dies verdeutlicht, dass das Konzept der Serious Games nicht für alle Personen geeignet ist und es auch weiterer Forschung bedarf, ob so überhaupt gelernt wird, was gelernt werden soll. Lässt sich
das Gelernte im Spiel auf die Wirklichkeit übertragen oder lernt man z. B. einfach nur die Regeln des Spiels? Informationen zum Thema „Lernen und digitale Medien“ sowie zu Serious Games finden sich z. B. in Computer+Unterricht 84 (Fromme/Unger/Biermann 2011).

Resümee

Der Blick auf das Medienhandeln von Kindern heute hat deutlich gemacht: Medien haben für Kinder einen festen Platz im Alltag und sind kaum noch wegzudenken. Sie beeinflussen das Heranwachsen, führen zu neuen Orientierungen und zu einer veränderten Kindheit. Dies gilt natürlich auch bezüglich der mobilen Endgeräte, wie den mobilen Spielkonsolen, sowie für das (mobile) Internet, obwohl Kinder hier im Vergleich zu Jugendlichen seltener „unterwegs“ sind und vor allem Suchmaschinen, spezielle Kinderseiten, Videoplattformen und soziale Netzwerke nutzen. Dabei vereint das Internet unterschiedliche, früher getrennte Mediennutzungsformen wie etwa Recherche, Online-Fernsehen oder auch Online-Radio.

Trotz Internet und anderer digitaler Medien steht jedoch noch immer das Fernsehen im Mittelpunkt des kindlichen Medienalltags, sowohl was die Nutzungszeit als auch was auch die Bedeutung des Mediums betrifft. Das Fernsehen stellt nämlich als kulturelles Forum vielfältiges Material bereit, die eigene Identität im Rahmen gesellschaftlicher Bezüge zu entwickeln, zu verorten und zu festigen. Gleiches gilt auch für Computerspiele, die aus dem Alltag von Kindern heute nicht mehr wegzudenken sind. Die medialen Einflüsse auf das heutige kindliche Denken und Fühlen können nicht eindeutig als positiv oder negativ angesehen werden. Sie sind vielmehr so „existenziell“ wie die Bedingungen des Aufwachsens der eingangs zitierten Anna Wimschneider zu einer Zeit, in der Kindheit weniger durch Medien, sondern vielmehr durch Arbeit und Überlebenskampf geprägt war.

Ein „gelingendes Aufwachsen“ heute – man könnte auch den klassischen pädagogischen Begriff der Bildung verwenden – hängt davon ab, inwieweit Kinder auf das Leben in einer medialen Welt vorbereitet werden und welche Unterstützung sie dabei von Eltern, Lehrkräften sowie ihren Freundinnen und Freunden erfahren.

Daten & Zahlen: Medien im Alltag von Kindern

 

Medienausstattung

Nicht nur mit Fernsehgeräten und Mobiltelefonen ist mittlerweile eine mediale Vollversorgung der kindlichen Räume des Aufwachsens erreicht, auch Computer oder Laptop sind mittlerweile in 91 % (Internet 89 %) der bundesdeutschen Haushalte vorhanden, in denen Kinder leben (vgl. MPFS 2011, S. 7). Zudem besitzen 64 % der 6- bis 13-Jährigen einen eigenen CD-Player, über die Hälfte (57 %) eine Spielkonsole (stationär oder tragbar), und bei 45 % steht ein eigenes Fernsehgerät im Kinderzimmer (vgl. MPFS 2011, S. 7).

Mediennutzung

95 % der Kinder sehen mindestens einmal pro Woche fern, drei Viertel (76 %) fast jeden Tag (vgl. MPFS 2011, S. 15). 16 % der 6- bis 13-Jährigen spielen täglich und 46 % mindestens einmal pro Woche Computer-, Konsolenoder Onlinespiele (vgl. MPFS 2011, S. 44). Die Hälfte der Heranwachsenden (49 %) nutzt den Computer als Arbeitsmittel für Hausaufgaben bzw. Schularbeiten, 42 % lernen am PC (vgl. MPFS 2011, S. 27). Allerdings zeigen sich bei der Computernutzung deutliche geschlechtsspezifische Differenzen: Jungen spielen deutlich mehr als Mädchen – 71 % der Jungen, aber nur 54 % der Mädchen spielen mindestens einmal pro Woche allein Computerspiele. Mädchen dagegen setzen den Computer eher als Arbeitsgerät ein (für Hausaufgaben und um Texte zu schreiben).

Anmerkung

(1) Hauptsächlich die Arbeiten von Baacke/Sander/Vollbrecht, Bachmair, Bonfadelli, Charlton/Neumann-Braun, Kübler und Aufenanger haben der Medienforschung in den 1990er-Jahren neue Impulse gegeben, indem sie die Rezipienten als handelnde Subjekte zum Ausgangspunkt ihrer

Untersuchungen machten und in ihre Konzepte Begriffe der Alltags-, Medien- und Familienwelt mit einbezogen (vgl. Neuß 1999, S. 26).

Dr. Sonja Ganguin,
wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Paderborn
Fakultät für Kulturwissenschaft – Institut für Medienwissenschaft
Lehrbereich Medienpädagogik & empirische Medienforschung

Links
4 http://www.mpfs.de
KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen
Forschungsverbunds Südwest
4 http://www.deutscher-computerspielpreis.de/
Deutscher Computerspielpreis

Dieser Artikel ist zuerst in der Computer + Unterricht Nr. 88 erschienen.