DIGITALPAKT#D: Wünsche und Visionen

DIGITALPAKT#D: Wünsche und Visionen
14
Mrz

Welche Wünsche haben Schulen zum Thema der digitalen Schulentwicklung an ihren Schulträger? Wie kann die finanzielle Unterstützung durch den DigitalPakt sinnvoll eingesetzt werden? Patrick Bronner hat dazu einen praxiserprobten Vorschlag und stellt ihn zur Diskussion.

Um die Digitalisierung der Schulen voranzubringen, steht den Schulträgern bald viel Geld im Rahmen des „DigitalPakt Schule“ zur Verfügung. Viele wirken mit der Mammutaufgabe der Digitalisierung ihrer Schulen aber überfordert und suchen händeringend nach sinnvollen medialen Konzepten. Was sollten sie tun? Die Verantwortung liegt eigentlich bei der jeweiligen Landesverwaltung. Doch dort geschieht leider immer noch viel zu wenig. Immerhin bemühen sich einzelne Institutionen und mehrere Bundesländer um zentrale Lern-, Kommunikations- und Bildungsplattformen, wie „Schul-Cloud“, „Ella“, „Logineo“ oder „Milla“ – auch wenn einige Portale Rückschläge erlitten haben und voraussichtlich in den nächsten Jahren noch nicht zur Verfügung stehen werden.

VERANTWORTUNG TRAGEN

Viele Schulträger geben die Verantwortung der digitalen Schulentwicklung an die Schulen ab und fordern die Entwicklung eines eigenen Medienkonzeptes. Zunächst ist das richtig, denn eine Auseinandersetzung mit der pädagogisch-didaktischen Dimension des Unterrichts ist die Voraussetzung dafür, beim Lernen durch Digitalisierung einen Mehrwert zu erzielen: Pädagogik steht vor Technik. Aber liebe Schulträger: Woher sollen die Schulleitungen wissen, welche Chancen digitale Medien für den alltäglichen Unterricht in der nahen Zukunft bieten? Woher sollen sie den sinnvollen Einsatz von Lehrer-Tablets oder BYOD-Smartphones zur Individualisierung und Binnendifferenzierung kennen?

Im Gespräch mit Schulleitungen hört man oft Sätze wie: „Wir haben einen Computer und einen Beamer in jedem Klassenzimmer – das ist digital genug!“ oder: „Ich habe interaktive Tafeln für alle Klassenzimmer beantragt, mal schauen was die Kolleginnen und Kollegen damit so machen“. Zur Orientierung aller Beteiligten braucht es praxiserprobte digitale Leuchtturmprojekte.

 

»Schulträger sollten ein einheitliches mediales Basiskonzept vorgeben, das sich bezüglich der Ausstattung mit Endgeräten an den Bedürfnissen der einzelnen Schulen orientiert.«

 

EIN KONKRETES BEISPIEL AUS DEM SCHULALLTAG

An meiner Schule wird das komplette IT-System mit derzeit 500 Benutzeraccounts, 40 WLAN-Geräten, 30 Computern, 50 Lehrer-Tablets, vier Tablet-Klassen mit 120 Endgeräten, einer schulinternen Cloud-Lösung, einem Kommunikationsportal und einem BYOD-Smartphone-Konzept seit vier Jahren von drei engagierten Lehrer*innen mit einem immensen Arbeitsaufwand aufgebaut, administriert und weiterentwickelt. Dabei gab es Rückschläge mit vermeintlich pädagogisch erprobten IT-Lösungen und auch sehr viel Frust. Diesen beschwerlichen Weg muss aber nicht jede Schule einzeln beschreiten: Ein funktionierendes Rad braucht nicht immer neu erfunden zu werden.

Leider war eine Zusammenarbeit mit unseren Nachbarschulen bisher nur sehr begrenzt möglich, da alle städtische Schulen individuelle Medienkonzepte besitzen: Jede Schule arbeitet mit einem anderen Schulserver, nutzt mehrere Betriebssysteme, baut ein individuelles WLAN-Netz, installiert eigene Cloud-Dienste und experimentiert mit der Administration von Tablets über verschiedene Mobilgeräteverwaltungen. So entsteht ein ziemlicher Wildwuchs von arbeitsintensiven, unwirtschaftlichen und vor allem nicht zukunftsfähigen Einzelprojekten.

WIE KÖNNTE ES GEHEN?

In den letzten Monaten habe ich das Thema der digitalen Schulentwicklung mit vielen Lehrer*innen diskutiert. Aber Einigkeit herrscht auch unter uns Kolleg*innen nicht! Manche IT-Betreuer möchten einfach nur Geld, um damit wie bisher eigenständig weiterzuarbeiten, andere fordern eine extern betreute Komplettlösung durch den Schulträger. Als Kondensat der Diskussionen um ein zukunftsfähiges Medienkonzept haben sich Wünsche an den Schulträger herausgebildet (sieheKasten). Auf meiner Homepage werden zu jedem der genannten Bausteine konkrete und im Schulalltag erprobte Lösungen vorgestellt.

AUCH IM DIGITALEN ZEITALTER KOMMT ES AUF UNS LEHRER*INNEN AN

Die Technik muss der Pädagogik folgen! Das Ziel meines Vorschlags ist weder die Abschaffung der Kreidetafel noch die papierlose Schule. Zeitgemäßer Unterricht sollte immer ein ausgewogenes Zusammenspiel von digital und analog sein. Digitale Medien dürfen im Klassenzimmer nur zeitlich begrenzt (zum Beispiel 20 von 90 Minuten Unterricht) und vor allem nur dort eingesetzt werden, wo für die Lehr- und Lernaufgabe ein Mehrwert entsteht. Auch im digitalen Zeitalter darf die Bildung nicht für die Zwecke der Arbeits- und Berufswelt instrumentalisiert werden. Das Bildungsziel muss die umfassende Persönlichkeitsentwicklung der Schüler*innen zu weltoffenen, verantwortungsvollen, autonomen und wertorientierten jungen Menschen bleiben. Lernen im Klassenzimmer kann nur dann gut funktionieren, wenn ein respektvolles Lehrer*innen-Schüler*innen-Verhältnis vorhanden ist – digitale Medien sind dabei nur ein Hilfsmittel innerhalb des Lernprozesses. Es zeigt sich ganz deutlich, dass es auch im digitalen Zeitalter auf kompetente, begeisterte, empathische und motivierte Lehrer*innen ankommt. Ich freue mich auf eine lebendige Diskussion. Diskutieren Sie mit auf Twitter unter #excitingedu.

Dr. Bronner, Patrick


Dr. Patrick Bronner, ist Gymnasiallehrer für die Fächer Mathematik und Physik, Lehrerfortbildner und -ausbilder für das Fach Physik. Neben der Medienpädagogik beschäftigt er sich mit den Themen Differenzieren, forschendem Lernen sowie einer qualitativen Vermittlung der Quantenphysik. Für die von ihm angestoßene und begleitete Entwicklung des Medienkonzepts seiner Schule erhielt er den Deutschen Lehrerpreis 2016 in der Kategorie „Unterricht innovativ“.


Weiteren Informationen unter www.PatrickBronner.de/digital

BAUSTEINE EINES MEDIENKONZEPTS

  • Der Schulträger gibt ein Basiskonzept mit einem
    einheitlichen Schulserver-, Cloud-, Mail- und
    WLAN-System als Fundament vor und betreut es zentral.
  • Auf diesem digitalen Fundament kann jede
    Schule ihre Ausstattung (Lehrer*innen-Tablets,
    Computerinseln, BYOD-Smartphones, 1:1
    Schüler*innen-Tablets, Apps, Lernsysteme usw.)
    individuell aufbauen.
  • Für die Entscheidung bezüglich der individuellen
    schulischen Ausstattung stehen schulartspezifische
    und praxiserprobte Leuchtturmprojekte
    zur Verfügung.
    Diese Projekte dienen als Basis für die Entwicklung
    eines schuleigenen Medienkonzepts.
  • Zum effizienten Arbeiten müssen alle schuleigenen
    IT-Geräte (Computer, Tablets) mit einem einzelnen
    Betriebssystem auskommen (freie Wahl).
  • Die Betreuung, Administration und Softwareverwaltung
    aller schulischen Endgeräte erfolgt zentral über die Mobilgeräteverwaltung (MDM)
    z. B. des jeweiligen Kreismedienzentrums
  • Die Ausstattung der Lehrer*innen mit digitalen
    Arbeitsplätzen oder eigenen Arbeitsgeräten (z.
    B. Notebook oder Tablet) muss mit der Medienausstattung
    der Klassenzimmer effizient und
    wirtschaftlich verknüpft sein.
  • Um eine mögliche Belastung durch WLAN-Strahlung
    so gering wie möglich zu halten, wird im
    Rahmen des Basiskonzepts ein einheitliches,
    leistungsfähiges, lokales, temporäres und leistungsreduziertes
    WLAN-Konzept vorgegeben.
  • Für die Finanzierung einer möglichen 1:1-Ausstattung
    mit Schüler*innen-Tablets sollte durch
    den Schulträger ein sozialverträgliches „Eltern-
    Tablet-Leasing-Modell“ ohne Zwischenhändler
    zur Verfügung stehen, das mit der Lehrmittelfreiheit
    kompatibel ist.
  • Das individuelle medienpädagogische Curriculum
    jeder Schule sollte durch flankierende Maßnahmen, z. B. der kommunalen Schulsozialarbeit,
    dauerhaft und umfassend unterstützt werden.