Computational Thinking

Computational Thinking
20
Sep

Es kann zu jeder Zeit und an jedem Ort stattfinden. Mal verläuft es unbewusst, mal bewusst. In der Summe wohl eher unbewusst. In manchen Situationen ist es sogar mit großer Anstrengung und Disziplin verbunden. Möchte man eine fesselnde Idee verwirklichen, ein hartnäckiges Problem lösen, lässt es sich kaum abstellen und kann sogar dazu führen, einem den Schlaf zu rauben. Die Rede ist vom Denken. 

Doch der Begriff des Denkens hat sich weit entfernt etwa von den philosophischen Ansätzen von Platon, Descartes („Ich denke, also bin ich“), Kant oder Adorno und wird im Internetzeitalter in Form von Computational Thinking (CT), quasi „Denken 4.0“, als Grundkompetenz zum effizienten (und oft maschinellen) Lösen von Problemen angesehen.

Moment mal – noch eine Kompetenz, gar eine Grundkompetenz? Und schon wieder der Begriff „effizient“? Wo wir doch durch Multitasking, ständiger Erreichbarkeit, lebenslangem Fortbilden etc. ohnehin ständig zu Höchstleistungen getrieben werden…

„[…] Die Vermittlung der Fähigkeit zu Programmieren als eine Grundfähigkeit neben Lesen, Schreiben, Rechnen.“ (Bundeskanzlerin Merkel, 19.03.2017)

„Coding kann doch jedes Kind“ – unter dieser Überschrift erschien am 11.03.2018 ein Artikel in der Welt am Sonntag, der die Thematik und Vorteile von CT aufgreift – ein nicht erst für die Zukunft sehr relevantes Denkmodell.

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Programmierer und Informatiklehrer, aber auch als Fremdsprachenlehrer, ist dieses Konzept eine Grundvoraussetzung für Lernprozesse, Problemlösungsstrategien und für viele Ansätze in der Informatik, denn CT fördert logisches Denken:

[…] über Befehlsketten Lösungen für komplexe Probleme zu finden schult Mathematik, Physik und Technikwissen. Und noch einen Vorteil hat es. Es fördert auch andere Fähigkeiten, die man im Leben dringend braucht: Planungskompetenz, Frustrationstoleranz und selbstgesteuertes Lernen. „Ein Programm ist gnadenlos […] Wenn ein Fehler im Code ist, läuft es nicht. Es gibt direktes Feedback, und die Chance, den Fehler zu beheben, ohne wieder von vorn anfangen zu müssen.“ So lernt ein Kind schnell aus eigenen Fehlern, ohne sich dabei unfähig zu fühlen.

(Quelle: WamS, 11.03.2018)

Der Mathematiker und Computerpioneer Seymour Papert, Begründer der Programmiersprache LOGO, sprach sich bereits 1968(!) dafür aus, dass Kinder fähig sein sollten, Computer zu programmieren, und schrieb später in seinem bahnbrechenden Werk Mindstorms (1980): “The question to ask about the program is not whether it is right or wrong, but if it is fixable“. Doch nicht nur in der Informatik findet CT Anwendung. In sämtlichen Unterrichtsfächern, Lebensbereichen und bei vielen Kompetenzen sind folgende Aspekte wesentlich:

DECOMPOSING – die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte auf einfach zu lösende Probleme herunterzubrechen (divide et impera)

PATTERN RECOGNITION – Ähnliche Features, Muster für bestimmte Anwendungsbereiche zu erkennen (Analogisieren)

ABSTRACTION – Wesentliches von unwesentlichem unterscheiden zu können

ALGORITHM(S) – das Abarbeiten von Schritten bis zur Lösung. Nicht für alle Problemlösungen benötigt man einen Computer.

EVALUATION / DEBUGGING – Am Ende muss der Algorithmus evaluiert werden bzgl. des Ergebnisses, aber auch hinsichtlich der Effizienz, des Umfangs, des Zeitaufwandes („Laufzeit“) etc.

„Alles Leben ist Problemlösen“ (Karl Popper, 1994)

Egal, ob in der Musik, beim Kochen, beim Sport oder in der Literatur: überall im täglichen Leben wendet man bestimmte Algorithmen an, d.h. vertraute, allgemeingültige, terminierende, knapp und präzise verfasste und immer eindeutige Vorschriften, die in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt werden müssen – sequentiell, mit Wiederholung oder unter bestimmten Bedingungen.

Über welche dieser algorithmischen Kompetenzen bzw. über welche Ausprägung man verfügt, hängt von Faktoren wie (Aus-)Bildung, Kulturkreis, Geschlecht, Alter, Abstraktionsfähigkeit, sozialer Herkunft, Nationalität etc. ab. Dennoch – die grundsätzliche Kompetenz zu abstraktem Denken, „wissen wie es funktioniert“ ist die zu erreichende Strategie.

Natürlich sollte man bei all der Diskussion um Kompetenzen nicht aus den Augen verlieren, was eigentlich gerade erlernt werden soll bzw. wann und warum die genannten Wissensarten eingesetzt werden sollen. Deshalb ist es beim CT ebenso wie bei allen anderen Aspekten von Lernprozessen so wichtig, den Lernenden den Sinn ihres Lernprozesses zu verdeutlichen, beispielsweise durch ständiges Anknüpfen an deren Lebenswelt („den Lernenden dort abholen, wo er steht“). Anstatt also eine Wiederholungsanweisung oder eine Fallunterscheidung nur durch abstrakte Syntax zu präsentieren, sollte man gleich reale Beispiele vermitteln: Vokabeln lernen, Sortierverfahren, den Weg durch ein Labyrinth finden etc.

Hier schließt sich der Kreis wieder in Richtung Informatik / Technik: die Fähigkeit, ein Problem zu erkennen und dieses dann (meist) durch digitale Geräte schnell und effizient erledigen zu lassen, ist unabdingbar. Viele Berufe haben sich über die Zeit stark gewandelt; viele unserer jetzigen Schülerinnen und Schüler werden in Berufen arbeiten, die es im Moment noch gar nicht gibt. Und bei vielen Berufsbildern verschwimmen die Grenzen…

Anknüpfungspunkte für CT sind im Alltag ständig vorhanden, viele Dinge erledigen wir ohnehin nach „Schema F“, ohne groß darüber nachzudenken. CT als Denkmuster ermöglicht sehr effizientes und automatisiertes Arbeiten in einer Zeit und Welt, in der wir oft Multitasking betreiben müssen.

Über den Talk

Im Talk möchte Markus Rauscher neben dem Konzept von CT zeigen, wie man gemeinsam mit Schülern praktische Probleme aus dem (Schul-)Alltag mithilfe dieses Ansatzes lösen kann. Es soll dabei aber nicht immer nur „technisch zugehen“: nicht jeder Schüler kann und soll professioneller Programmierer werden. Im Vortrag werden anhand von Beispielen aus der Unterrichtspraxis die Vorgehensweise und Problemlösestrategien mittels CT gezeigt: Wie kann man z.B. berechnen, wie viel Geld man für ein WM-Panini-Album durchschnittlich ausgeben muss? Wie kann man Schülern Muster für die Verbbildung im Englischen vermitteln? Kann man auch für sehr komplexe Phänomene wie das der Globalisierung solche CT-Strategien einsetzen? Wie kann man kreatives und interaktives Schreiben im Fremdsprachenunterricht mit unterschiedlicher plot-Entwicklung, d.h. non-lineare Fiktion, realisieren etc.?

Über den Dozenten

Markus Rauscher ist seit 2001 Lehrer und unterrichtet die Fächer Englisch, Französisch und Informatik seit 2005 am oberbayerischen Gymnasium Waldkraiburg. Da er sich seit fast 35 Jahren intensiv mit Computertechnik und Programmieren befasst, galt sein Interesse schon immer auch dem Einsatz digitaler Medien im Fremdsprachenunterricht, u.a. mit Mebis, Hot Potatoes, Musikvideoclips, div. Flash-Animationen, learningapps.org oder selbst geschriebenen Programmen mit Java oder JavaScript. Im Unterricht versucht er, den Schülern mit CT möglichst allgemeine und automatisierbare Lernstrategien zu vermitteln. Er nutzt dafür gerne – wo sinnvoll – Apps „to go“, Tools zum Erstellen von Apps und weitere digitale Assistenten, die den Anforderungen eines modernen (Fremdsprachen-)Unterrichts mit derzeitigen digitalen Möglichkeiten Genüge leisten sollen

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