Individualisiertes Lernen digital

Individualisiertes Lernen digital
23
Nov

Das Potenzial digitaler Medien für den Unterricht lässt sich dann ausschöpfen, wenn die digitalen Medien unter Berücksichtigung der Tiefenstrukturen methodisch-didaktisch in Lernprozesse eingebettet sind.

Wie das gehen kann, zeigt dieser Beitrag am Beispiel des Modells individualisiertes Lernen digital (MiLd; ehemals MIFD), das von Tobias Rodemerk und mir entwickelt wurde, um Lehrkräfte im großen Tablet-Schulversuch tabletBS in Baden-Württemberg dabei zu unterstützen, individuelle Förderung und individualisiertes Lernen mit Tablets zu forcieren.

Bei der Planung von Lernprozessen sollen nicht nur Modelle wie SAMR, TPACK und 4K berücksichtigt werden (s. Kasten »Weiterführende Infos«). Insbesondere stellen die Tiefenstrukturen konstruktive Unterstützung, Klassenorganisation und kognitive Aktivierung die Handlungsfelder dar. Bei MiLd sind diese umgeben von der zugehörigen Handlungsebene und der Effektstärke der Einflussfaktoren nach dem neuseeländischen Bildungsforscher John Hattie.

Es wurden verschiedene Eigenschaften von Apps und ihr Beitrag zur Realisierung der Handlungsebene überprüft. So konnte für jede Säule eine umfassende Auswahl exemplarischer Apps zusammengestellt werden. Selbstverständlich wird vermutlich niemand 90 Apps zum Lernen nutzen. Die Auswahl soll eine Orientierung im App-Dschungel sein. Die folgenden Erläuterungen stellen einen kleinen Ausschnitt des Modells dar.

Konstruktive Unterstützung: Feedback & formatives Assessment

Fokussiert man beim Lehren nicht auf das Lernprodukt, sondern betreibt formatives Assessment, welches eine Rückmeldung im Lernprozess und keine bloße Leistungsbeurteilung darstellt, können Audiokommentare ein gutes und effizientes Mittel sein, um Rückmeldungen zu geben. Hyfee ist hierzu ein hilfreiches Werkzeug, bei dem Audios, Videos oder PDFs per QR-Code oder Link bereitgestellt werden.

Weitere Möglichkeiten, Audios als Feedback weiterzugeben, sind OneNote, intelligente Anmerkungen in Pages, oder Audio-Annotationen in PDFExpert. Dabei können auch UmfrageApps wie Edkimo, feedback.schule oder minnit nützlich sein. Die Rückmeldungen sollten sich unbedingt auf gemachte
Fortschritte und Potenziale der Lernenden beziehen und Hilfen zu Weiterentwicklungsmöglichkeiten geben.

Klassenorganisation: Klarheit der Organisation

Wenn das Wissensmanagement digital angelegt wird, müssen von Lehrkräften bereitgestellte und von Lernenden recherchierte Materialien so abgelegt werden, dass diese immer verfügbar und leicht aufzufinden sind. Dies kann über Clouds wie Nextcloud etwa in der paedML oder auch in Lernmanagementsystemen geschehen, sofern die Lernenden die notwendigen Berechtigungen haben, selbst Dateien in geeigneter Form zu managen.

Exemplarisch seien hier die Erstellung von Seiten oder die Bibliothek in itslearning genannt. Denkt man in Lernprozessen, reicht es eben nicht, Dateien ausschließlich in »One-way-Austeilung« als PDF-Arbeitsblatt zu distribuieren oder Quizzes zur Überprüfung von punktuellem Faktenwissen zu nutzen.

Kognitive Aktivierung: Kritisches Denken & kooperative Lernformen

Bei der kooperativen Erstellung von Lernprodukten können Lernende ihre individuellen Kompetenzen einbringen und sich auch gegenseitig stärken. Wie kann man dem Anspruch gerecht werden, in Peer- oder Gruppenarbeit alle Lernenden zu aktivieren? Hier können digitale Kanban Boards, die mit TaskCards umgesetzt werden können, oder das gemeinsame Arbeiten an einem Text mit CryptPad unterstützen. Mit Miro kann kollaborative Wissensarbeit geleistet und mit BookCreator können E-Books kompiliert werden.

Werden Informationen hierbei zunächst kollaborativ gesammelt, bewertet und eingeordnet und wird anschließend ein Produkt, etwa ein Erklärvideo mit iMovie erstellt, entsteht ein Prozess, bei dem Wissen ständig reorganisiert und vertieft werden kann. So können neben der Wissensreorganisation Kompetenzen im Sinne der 4K aufgebaut werden (Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken und Kreativität).

Ergebnis: Gelungene Lernerfahrung

Über formative Evaluation und Feedback und die daraus resultierende Metakognition, die Reflexion der eigenen Rolle im Lernprozess, die Kooperation mit anderen und die Einordnung des erstellten Produktes schließt sich dann der Kreis eines umfassenden Lernprozesses, bei dem auch ein weniger gelungenes Lernprodukt (etwa ein Erklärvideo) eine sehr gelungene Lernerfahrung darstellen kann. Dies führt in der Regel zu zukünftig besseren Produkten, was wiederum ein Anlass für ein was wiederum ein Anlass für ein wertschätzendes Feedback darstellt.

Hier geht’s zum Modell:

Wer sich für weitere Aspekte des MiLd interessiert, kann sich hier die praktische Übersicht des Modells herunterladen: https://t1p.de/mildmodell

Jan Hambsch leitet das Stadtmedienzentrum Karlsruhe am Landesmedienzentrum BW. Seit 2011 gibt er Workshops und hält Vorträge zum Lernen mit und über digitale Medien. Gemeinsam mit Tobias Rodemerk hat er das Modell individualisiertes Lernen digital im Jahr 2016 noch unter dem Namen MIFD entwickelt und seither immer wieder aktualisiert.