Anonym und gefährlich: Das Phänomen Cybermobbing

Anonym und gefährlich: Das Phänomen Cybermobbing
18
Mai

Auch wenn es in vielen deutschen Schulen noch an digitaler Infrastruktur mangelt, kann man die heutigen Schülerinnen und Schüler dennoch als „Digital Natives“ bezeichnen. Die meisten von ihnen sind ganz selbstverständlich mit High-Speed-Internet, Social-Media-Plattformen und mobilen Endgeräten aufgewachsen und bedienen diese oft intuitiver als ihre Eltern und so manche Lehrende.

Laut der aktuellen JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-) Media) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, verfügen 99% der Haushalte, in denen die befragten 12-19-jährigen leben, über Smartphones; dicht gefolgt von Laptops und einem Internetzugang (jeweils 98 %). Ein Blick über den Pausenhof reicht, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie stark Smartphones und mobile Internetnutzung im Alltag heutiger Schülerinnen und Schüler verankert sind.

Neben all den positiven Aspekten dieser Entwicklung – vom Zugriff auf umfangreiches Bildungsmaterial, vereinfachte internationale Kommunikation etc. – hat die Digitalisierung des Alltages auch einige Schattenseiten. Gerade – aber nicht nur – im schulischen Umfeld hat das Thema „Cybermobbing“ immer mehr an Bedeutung gewonnen.

Was ist Cybermobbing?

Seit einigen Jahren ist dieser Begriff fester Bestandteil der Debatten um die Gefahren der Internetnutzung. Doch was genau ist eigentlich „Cybermobbing“? Die EU-Initiative Klicksafe.de, die sich für mehr Sicherheit im Internet einsetzt, definiert den Begriff wie folgt:

„Unter Cybermobbing (Synonym zu Cyber-Bullying) versteht man das absichtliche Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen anderer mithilfe von Internet- und Mobiltelefondiensten über einen längeren Zeitraum hinweg. Der Täter – auch „Bully“ genannt – sucht sich ein Opfer, das sich nicht oder nur schwer gegen die Übergriffe zur Wehr setzen kann. Zwischen Täter und Opfer besteht somit ein Machtungleichgewicht, welches der Täter ausnutzt, während das Opfer sozial isoliert wird.“ (Klicksafe, 2018)

Im Vergleich zu „normalem“ Mobbing ist das Cybermobbing nicht auf spezielle Räume und/oder Kontexte begrenzt. Im Gegenteil, durch Smartphone und Internetanschluss können die Angriffe ortsunabhängig stattfinden – egal, ob in der Schule, zuhause oder im Urlaub. Die Opfer können sich nie sicher fühlen, die Täter die Anonymität des Internets für sich nutzen. Letzteres macht es umso schwerer, den/die Verantwortlichen zu identifizieren. So kann es nach und nach zu paranoiden Symptomen bei den Betroffenen kommen, denn wenn der/die Täter unsichtbar bleiben, kommt fast jede/r als Verdächtige/r in Betracht.

Kein Randphänomen

Dabei reichen die Übergriffe von Beleidigungen über die Verbreitung von Gerüchten, die Manipulation von Bildern bis hin zum Diebstahl persönlichster Daten, etwa Fotos und Videos. Die Folgen sind oft schwerwiegend. Dazu zählen unter anderem psychische Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten und in schlimmen Fällen suizidales Verhalten.

Unterdessen ist es schwer, zu ermitteln, wie viele Schülerinnen und Schüler vom Phänomen Cybermobbing betroffen sind, da die Opfer häufig aus Scham schweigen. Eine nicht-repräsentative Studie des „Bündnis gegen Cybermobbing“ geht davon aus, dass rund 13% der 10-21-jährigen schon einmal über das Internet gemobbt wurden. Im Rahmen der anfangs genannten repräsentativen JIM-Studie, geben 37% der Befragten an, dass „[i]m Bekanntenkreis […] schon mal jemand per Handy/ im Internet fertig gemacht [wurde]“. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass es sich bei Cybermobbing keineswegs um ein Randphänomen handelt.

Rechtliche Ahndung

Die scheinbare Anonymität im Netz verringert oftmals die Hemmschwelle auf Täterseite. Dennoch ist auch das Internet kein straffreier Raum. Zwar gibt es noch keinen Straftatbestand „Cybermobbing“, es kann aber – je nach Fall und Schwere – auf einschlägige Straftatbestände zurückgegriffen werden. Hierzu zählen unter anderem „Beleidigung“, „Üble Nachrede“, „Verleumdung“, „Nachstellung“, Verstöße gegen das „Recht am eigenen Bild“, die „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“, die „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ sowie „Nötigung und Bedrohung“.

Betroffene können straf- und zivilrechtliche Maßnahmen einleiten. Damit dies gelingt, sollten nach Möglichkeit alle Beweise gesichert werden. Dies kann beispielsweise in Form von Screenshots geschehen. Anschließend bietet sich eine Beratung bei einem Rechtsanwalt an, um die rechtlichen Möglichkeiten zu eruieren. Bei einem strafrechtlichen Verfahren wenden sich die Betroffenen danach direkt an die Polizei und stellen Strafanzeige bzw. Strafantrag. Entscheiden sie sich für ein zivilgesellschaftliches Vorgehen, versendet der Anwalt eine Abmahnung, der – sollte sie nicht befolgt werden – eine einstweilige Verfügung bzw. Klage folgen kann.

Prävention und Anlaufstellen

Das Einschalten der Polizei bzw. des Anwalts können zum Stopp des Cybermobbing führen. Bevor es so weit kommt, sollten allerdings Präventivmaßnahmen ergriffen werden. In vielen Schulen wird das Thema bereits im Rahmen des Unterrichts oder in Infoveranstaltungen für Eltern und Schülerinnen und Schüler thematisiert. Auch die Polizeiliche Kriminalprävention, die Initiative Klicksafe.de und das Bündnis gegen Cybermobbing bieten umfangreiche Hilfsangebote an.

Da Cybermobbing oftmals ein sehr schambehaftetes Thema ist, fällt es Betroffenen häufig schwer, sich Lehrenden oder Eltern zu offenbaren. Eine Möglichkeit, dennoch Hilfe und Unterstützung zu bekommen ist die Beratungsplattform Juuuport, auf der Jugendliche anonym mit anderen, speziell ausgebildeten, Jugendlichen über ihre Probleme sprechen können.

Tobias Börner