Schulleitung: Motor der Digitalisierung?

Schulleitung: Motor der Digitalisierung?
3
Jan

Die Diffusität der zu bearbeitenden Schulentwicklungsfelder und die Diskussionen über richtige Wege und Ansätze überfordern, sind unübersichtlich und man sieht den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.Was es  – um im Bild zu bleiben – bei einem Weg durch das Dickicht braucht, ist Orientierung, Antrieb und vor allem, ein klares Ziel.

Die Bildungslandschaft diskutiert seit Jahren über angemessene technische Ausstattung, über Finanzierungsmöglichkeiten, Fortbildungswege und unlängst auch über neue Lern- und Arbeitstechniken in der vielbeschriebenen Kultur der Digitalität. Für Schulleitungen bedeutet dies, zu erkennen, dass ein Aufdiktieren von Aufgaben mittels Dienstanweisungen falscher Treibstoff wäre. Denn, ja, Schulleitungen sind der sprichwörtliche Motor für Schulentwicklungsprozesse.

Wie sehen die Ziele im Hinblick auf die Digitalisierung aus?

An der Waldschule Hatten versuchen wir, unsere Aufgabe als Leadership zu verstehen, um unser Kollegium zu motivieren und zu inspirieren. Dafür braucht es eine klare Haltung und Überzeugung, dass gelungene Digitalisierungsprozesse unabdingbar für zeitgemäßes Arbeiten und vor allem für die Vorbereitung der Kinder auf die Herausforderungen der Zukunft sind. Die Zukunft ist digital, ob wir das nun gut finden oder nicht. Diese Haltung beinhaltet für uns dabei eine klare Überzeugung, die sich in drei formulierten Zielen für die Schulgemeinschaft wiederfinden:

  1. Wir müssen Kindern IT-Kenntnisse vermitteln: Wie formatiere ich ein Dokument richtig? Wieso ist eine Signatur unter einer E-Mail nicht ganz unnötig? Was hat es eigentlich mit den Zahlen 1 und 0 in der Programmierung auf sich? Und wie codet man? – Dies sind nur einige Themenfelder, die Schulen vermitteln müssen
  2. Wir alle benötigen ein Grundverständnis für künstliche Intelligenz (KI): Was genau ist ein Algorithmus? Wie schlau ist ein Staubsaugerroboter wirklich? Und was bedeutet eigentlich künstliche Intelligenz? KI ist mitten unter uns und wir kennen dieses »Mitglied der Gesellschaft« nicht. Auch hier müssen Lehrkräfte und Kinder (aber auch alle anderen Menschen) schnellstmöglich souverän werden.
  3. Kinder (und unsere Gesellschaft) brauchen eine »digitale Ethik«: Es geht um die Frage, wie wir im Netz miteinander umgehen wollen. Soziale Netzwerke, Hatespeech, Fake News und Deepfakes bestimmen die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen und natürlich unsere eigene. Es braucht eine vertiefte Kompetenz, Nachrichten zu verifizieren und zu hinterfragen, einzuordnen und vor allem Strategien im Umgang damit zu entwickeln.

Welche Fortschritte gab es bereits in der Vergangenheit?

Diese Ziele in der Arbeit an einer digitalen Schulentwicklung sind gleichzeitig unsere Leitlinien. Als Schulleitung versuchen wir, hierfür zum einen Raum und Zeit, zum anderen aber auch Entlastung für alle mitarbeitenden Akteur*innen zu geben. Einige Meilensteine sind dafür richtungsweisend gewesen. 2014 traf der Schulvorstand (System der Eigenverantwortlichen Schule in Niedersachsen) den Beschluss, dass zukünftig alle Kinder ein elternfinanziertes Tablet in der Schultasche haben müssen. Lehrkräfte wurden motiviert, sich vertiefend in Entwicklungsfelder einzuarbeiten.

Daraus erwuchs das heutige Digitalteam aus nunmehr acht Lehrkräften, die sich jeweils um unterschiedliche Schwerpunkte von der Administration der Plattform IServ, der MDM-Administration der Tablets, der didaktischen Unterrichtsentwicklung bis hin zu schuleigenen Fortbildungsmodellen und dem selbst organisierten, digitalen Fortbildungsangebot SOFA (eigenes Wiki zu allen relevanten Fragen, Erklärvideos, Taskcards zu Themenfeldern etc.) kümmern.

Digital soll zunehmend als normal verstanden werden. So ist das ganze Schulleben in diese Entwicklung einbezogen. Selbst unsere Schulsekräterin Anne Schrader hat einen eigenen Podcast zu FAQs der Waldschule erstellt und auf der Homepage veröffentlicht.

Wo liegt der aktuelle Fokus?

Als Schule steht für uns gerade in Zeiten wie diesen vor allem der Aufbau einer »digitalen Ethik« im Fokus aller Entwicklungen. Durch die Einrichtung einer Social-Media-Sprechstunde, in der ein Kollege Kindern für ihre Sorgen, Beobachtungen, Ängste und Probleme zwei Stunden in der Woche vertraulich zur Verfügung steht, wurde diesbezüglich ebenfalls ein Meilenstein gesetzt.

Die Erkenntnisse, die der Kollege hier gewinnt, zu denen er sich im multiprofessionellen Team mit Beratungslehrerin und Sozialpädagogin berät und die Schulleitung ins Bild setzt, sind eklatant wie unabdingbar. Es schockiert uns nahezu täglich, was Kinder im Netz sehen und erleben. Auch hier versuchen wir als Schulleitung, insofern unterstützender Motor bei dem Aufbau einer ethischpositiven Grundhaltung im Netz zu unterstützen, indem unsere Bürotüren immer offen sind und Kinder auch zu uns mit ebenjenen Berichten und Sorgen kommen können, egal, ob sich ein Vorfall im Netz um 10:05 Uhr oder um 22:15 Uhr ereignet hat.

Die Seelen der Kinder und Jugendlichen sind zunehmend durch einen medialen Einfluss belastet und es ist (nicht nur) die Aufgabe von Schulen und Erwachsenen, ihnen die Last zu nehmen, Lösungswege aufzuzeigen und auf Fehler, die man besser nicht zweimal macht, hinzuweisen. Selbstverständlich ist hier eine nachhaltige und manchmal auch konfrontative Elternarbeit unabdingbar. Unsere Kinder sind irgendwann Verantwortungstragende für unsere Gesellschaft, dafür braucht es Werte, Moral und vor allem einen manifestierten Glauben an die Grundfeste unserer Demokratie. All das ist wohl mehr gefährdet denn je.

Wie kreieren Schulleitungen die Zukunft?

Schulleitungen sind in unserer Generation somit längst mehr als Verwalter*innen, Multiplikator*innen für behördliche Entscheidungen und Organisator*innen von Lehr- und Lernprozessen. Um sich als Motor und Unterstützer*innen für Prozesse zu verstehen, braucht es ebenjene skizzierte Überzeugung und Haltung, dass es nur einer Schulfamilie gemeinsam gelingen kann, auf die Herausforderungen dieser unwegsamen und dynamischen Zukunft vorzubereiten.

Selbstverständlich ist gelebte Leadership manchmal sehr herausfordernd, man trifft vielleicht zu langsame oder zu schnelle Entscheidungen, läuft gegen Wände oder trifft auf unüberbrückbare Hindernisse. Gleichzeitig aber ist der Gedanke, Prozesse und Menschen in ihren Ideen und Ansichten zu unterstützen und Potenziale zu entfalten, motivierend und bereichernd.

Diese Erfahrungen macht die Schulleitung bei uns an der Waldschule an jedem Tag. Schule ist nun mal nach wie vor der schönste Ort der Welt und unser Beruf ist der tollste Job der Welt, weil wir gemeinsam Kindern Flügeln verleihen dürfen.

Silke Müller leitet die Waldschule Hatten. Digitales Lernen ist hier integraler Bestandteil des Schullebens.