Rechtsdschungel Internet

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25
Jan

Für ihr Unterrichtsmaterial kombinieren Lehrer*innen eigene Texte und Vorlagen gerne mit passenden Inhalten von Dritten. Das ist ihnen dank Ausnahmen im Urheberrecht auch erlaubt – sofern sie sich an die vorgegebenen Grenzwerte und Rahmenbedingungen halten. Dieser Beitrag erläutert, was Lehrkräfte urheberrechtlich wissen sollten und wie das mit den »offenen Bildungsmaterialien« funktioniert.

Beim Suchen nach geeigneten Zutaten für das eigene Material blicken Lehrkräfte gerne darauf, ob es inhaltlich richtig und passend ist, ob einem der Stil zusagt und ob die technischen Qualitäten passen, bei Bildern beispielsweise die Auflösung und das Dateiformat. Doch mindestens genauso wichtig ist es, sich zu vergewissern, wie und wofür man die gefundenen Vorlagen, rechtlich gesehen, einsetzen darf. Erste Hinweise geben hier die Nutzungsbedingungen.

Nutzungsbedingungen prüfen

Die Nutzungsbedingungen können auch »Terms of Service«, »Nutzungsrechte«, »Lizenzbedingungen« oder schlicht »Rechtliches« heißen, mitunter sind sie Teil der »Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)«. Dort wird mal mehr, mal weniger detailliert formuliert, was mit dem Material rechtlich gesehen erlaubt ist und was nicht. Fotoportale wie Pixabay, Unsplash oder Pexels beispielsweise erlauben zwar, dass Fotos einerseits kostenlos und sogar ohne Quellenhinweise in eigene Werke integriert werden dürfen – seien es nun Zeitschriften, Websites oder eben Unterrichtsmaterial. Andererseits ist es verboten, die Fotos alleinstehend kommerziell zu nutzen. Alles, was über die Nutzungs- bedingungen hin- ausgeht, regelt das Urheberrecht.

Grundwissen zum Urheberrecht

Die jüngste, recht umfangreiche Reform des Urheberrechts beinhaltet unter anderem neue Ausnahmeregelungen, auf die sich alle Verbraucher*innen beziehen können, also auch Lehrkräfte und Bildungsmedienhersteller*innen. So ist es nun gesetzlich erlaubt, kleinste Ausschnitte von geschützten Werken in eigenen Inhalten zu verwenden und diese weiter zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, ohne dafür Nutzungsrechte erwerben oder etwas bezahlen zu müssen.

Hier heißt das Stichwort »Bagatellschranke«. Wie klein diese Ausschnitte sein dürfen, steht im Gesetz mit konkreten Zahlen: 160 Zeichen bei Texten, 15 Sekunden bei Filmen, Musik oder Audio, 125 Kilobyte Dateigröße bei Bildern und Fotos. Diese Ausnahmen unterliegen gewissen Voraussetzungen, etwa dass sie nur für nicht kommerzielle Zwecke gelten und die Ausschnitte nicht mehr als die Hälfte des Originalwerks ausmachen dürfen.

Persönlichkeitsrechte bei Fotos und Videos

Das im Urheberrecht verankerte »Recht am eigenen Bild« ist ein hoch gewichtetes Persönlichkeitsrecht und formuliert eine wichtige Regelung, die Lehrkräfte stringent handhaben sollten: Wenn Personen auf Fotos oder in Videos zu sehen oder bei Audioaufnahmen zu hören sind, dürfen diese nur dann weiter verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht werden, wenn die Abgebildeten dem explizit zustimmen, bei Minderjährigen übernehmen dies die Erziehungsberechtigten.

Daher sind Urheber*innen entsprechender Aufnahmen verantwortlich dafür, was mit den Aufnahmen passiert, und müssen Einwilligungen nachweisen Das könnte der Fall sein, wenn man etwa Fotos des Klassenausflugs oder vom Projekttag auf der Facebook-Seite der Schule zeigen will, auf der Website eines Fachbereichs oder auf dem Instagram-Kanal der Schüler*innenzeitung. Aus den Einwilligungen, am besten in schriftlicher Form, muss klar hervorgehen, wo und wofür die Aufnahmen verwendet werden.

Hierfür ließen sich auch pauschale Zustimmungen einholen. Beispielsweise beim Schulfest durch entsprechende Aushänge an den Eingängen: Darin könnte die Schulleitung erläutern, dass sie Fotos vom Fest auf der Schulwebsite veröffentlichen will, wofür sie die Einwilligung aller Teilnehmenden voraussetzt – und gleichzeitig zusagt, keine Fotos von Personen zu veröffentlichen, die dem explizit widersprechen.

Filme und Videos zeigen

Wer Film(ausschnitte) und Videos im Unterricht einsetzen will, muss sicherstellen, dass es sich um legal erworbene Medien(zugänge) handelt. Sofern die Vorführung im Klassenraum für eine Lerngruppe erfolgt, lässt sich dies gemeinhin als privat betrachten und erfordert keine Erlaubnisse. Für aufgezeichnete Fernsehsendungen gilt dies jedoch nur, wenn sie tagesaktuell sind oder über eine Onlinemediathek gestreamt werden.

Sollen die Bewegtbildinhalte einer größeren Schulöffentlichkeit gezeigt werden, etwa bei einem Schulfest, müssen Erlaubnisse oder Lizenzen vorliegen. Alternativ zu kommerziellen Lizenzen bieten Landesmedienzentren und bundesweite Einrichtungen umfangreiche Video- und Audio-Mediatheken. Sie haben mit den Rechteinhaber*innen die Nutzungsrechte für Unterrichts- und Schulzwecke vertraglich geklärt, sodass der Einsatz an Schulen legal ist.

Darüber hinaus ist es möglich, Ausschnitte aus geschützten Filmen oder Videos sowie hinreichend kurze Bewegtbildwerke in den Unterricht oder in eigene multimediale Materialien einzubauen. Das gilt übrigens ebenso für Texte, Bilder und Audiowerke. Hierfür können sich Lehrkräfte auf das Zitatrecht berufen, sofern es um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Inhalten geht.

OER-Angebote wachsen stetig

Mittlerweile finden sich im Internet zahlreiche sogenannte offene Bildungsmaterialien, kurz OER (Open Educational Resources). Zugleich differenzieren sich diese Angebote kontinuierlich aus, etwa nach Alter, Klassenstufen, Fachrichtungen oder Schultyp. Mit frei lizenzierten, offenen Bildungsmaterialien verbinden sich vor allem zwei Vorteile für Lehrer*innen.

Erstens können sie die Inhalte direkt und ohne weitere Rechteklärungen oder Erlaubnisgesuche verwenden, in eigene Werke einbauen und auf nahezu jegliche Art weiter verbreiten, etwa ins Schulkollegium, in eine Fachschaft oder auch in fachspezifische Lern- und Lehrmedienportale, nicht zuletzt in eine breite Öffentlichkeit. Zweitens eignen sich OER ideal zum kollaborativen Bearbeiten und Erarbeiten von Bildung und zum explorativen Lernen – genau das, was modernem und nachhaltigem Wissenserwerb zugutekommt.

Henry Steinhau ist Journalist und Redakteur, er arbeitet im Team Forschung & Projekte beim iRights.Lab, dem Berliner ThinkTank für die digitale Welt. Seine Schwerpunktthemen sind Urheberrecht und OER, Medienwissen und Mobilität. Zudem ist er seit Langem in der Weiterbildung und der Hochschullehre aktiv und gibt sein Wissen zu Urheberrecht, Medien und Journalismus in Seminaren, Workshops und Vorträgen weiter.