Hoch hinaus: Digitale Bildung in Norwegen

Hoch hinaus: Digitale Bildung in Norwegen
16
Mrz

Wenn von Musterbeispielen für ein gelungenes Schulsystem die Rede ist, werden häufig die skandinavischen Länder genannt. Sowohl die Ausstattung der Schulen als auch die Lehrkonzepte werden häufig gelobt und sorgen für gute Plätze im PISA-Vergleich. Da wundert es nicht, dass dies auch bei der digitalen Bildung der Fall ist. Gerade Norwegen wird in diesem Bereich häufig eine Vorreiterrolle zugeschrieben. Doch woran liegt das?

Zunächst einmal sollte man sich die geografische Lage Norwegens veranschaulichen: Im Norden Europas gelegen, zieht sich das dünn besiedelte Land bis weit über den Polarkreis. Mit Ausnahme der Metropolregionen im Süden und vereinzelten größeren Städten, handelt es sich größtenteils um einen dünnbesiedelten Flächenstaat. Gerade einmal 5,3 Millionen Einwohner verteilen sich auf fast 324.000 km² Staatsgebiet (Zum Vergleich: in Dtl. leben 82,5 Mio. auf 357.385 km²). Die Distanzen sind groß, so dass der Telekommunikationsinfrastruktur eine bedeutende Rolle zukommt.

Digitale Kompetenzen in den Lehrplänen

Bereits im Jahr 2004 entschied das norwegische Parlament, digitale Kompetenzen als Basisfähigkeit in die Lehrpläne für Grund- und weiterführende Schulen aufzunehmen. Umgesetzt wurde dieser Beschluss im Jahr 2006. Neben Lesen, Schreiben, Rechnen, rhetorischen Fähigkeiten zählen digitale Kompetenzen seitdem zum Pflichtprogramm.

Konkret handelt es sich dabei um die Fähigkeit, digitale Tools, Medien und Ressourcen effizient und verantwortungsbewusst zur Lösung praktischer Aufgaben zu nutzen, die Kompetenz, Informationen zu recherchieren und auszuwerten, das Wissen, wie sich digitale Produkte kreieren und Inhalte kommunizieren lassen sowie die Entwicklung eines digitalen Bewusstseins, welches dabei helfen soll, selbstbestimmt digitale Medien, Techniken und Plattformen zu nutzen und Strategien zu entwickeln.

Die genannten Kompetenzen ähneln durchaus den 2016 von der Kultusministerkonferenz geforderten „Kompetenzen in der digitalen Welt“, gehören aber schon seit mehr als einer Dekade zum schulischen Alltag. Anstelle der sechs Überkategorien der KMK, gibt es vier Kompetenzfelder, welche die einzelnen Fähigkeiten enthalten: „search and process“, „produce“, „communicate“ und „digital judgement“ (Quelle: European Centre for the Development of Vocational Training)

Laptops gehören zum Standard

Auch bei der technischen Ausstattung ist man in Norwegen einen Schritt weiter als es in Deutschland der Fall ist. Im Jahr 2000 wurden erstmals Laptops an Schulen eingeführt. Ab dem 16. Lebensjahr erhalten außerdem alle Schüler einen Laptop von der Regierung, für den sie selbst verantwortlich sind und welchen sie auch in Prüfungen verwenden dürfen. Eine spezielle Software verhindert das Schummeln. Gleichzeitig ermöglichen die Laptops auch Schülern in entlegeneren Gebieten die Teilnahme am Schulunterricht.

Staatlich geförderte OER-Plattform

Darüber hinaus hat das norwegische Ministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2006 eine digitale OER-Plattform, die Norwegian Digital Learning Arena, gegründet, die 2007 ihre Arbeit aufnahm. Derzeit umfasst das Angebot digitale Lehr- und Lernmaterialien, die 40 verschiedene Lehrpläne sowie mehr als 60 Lehrgebiete abdecken. Betrieben und finanziert wird die Plattform inzwischen von 18 norwegischen Verwaltungsbezirken. Der Zugriff ist kostenlos und auch für User, die nicht in einem der Bezirke leben, frei verfügbar.

Einschränkungen und Zukunft

Natürlich verläuft auch in Norwegen nicht alles reibungslos. So hänge beispielsweise die Digitalisierung in der Schule häufig von den Kommunen als Schulträgern und damit von deren Budgetprioritäten ab, wie Iselin Nybø, schulpolitische Sprecherin der liberalen Venstre im Norwegischen Parlament, im Interview mit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit betont. Auch ein Schulfach „Programmieren“ fehle.

Unterdessen plant die Regierung eine Überarbeitung der Lehrpläne. Diese sollen unter anderem dafür sorgen, dass digitale Kompetenzen enger mit fachspezifischen Fähigkeiten verknüpft werden.

Fazit

Das deutsche und das norwegische Bildungssystem lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen. Zum einen handelt es sich bei Norwegen um einen äußerst finanzstarken Flächenstaat mit vergleichsweise niedriger Einwohnerzahl. Zum anderen ist das Königreich als dezentralisierter Einheitsstaat organisiert. Kooperationsverbot und bundesländereigene Bildungspolitik spielen dort keine Rolle. Dennoch kann ein Blick über den Skagerrak nicht schaden, wenn es darum geht, digitale Bildung ganzheitlich umzusetzen.

Tobias Börner