Digital Detox an Dänemarks Schulen

Digital Detox an Dänemarks Schulen
28
Feb

In den aktuellen Diskussionen rund um die Digitalisierung des Bildungswesens werden die skandinavischen Länder oft als strahlende Vorbilder hervorgehoben.Es wird betont, dass sie technologischen Fortschritten gegenüber offener eingestellt sind als das traditionell skeptische Deutschland und daher frühzeitig und umfassend in die Modernisierung ihrer pädagogischen Infrastruktur investiert haben.

Diese Einschätzung ist zweifellos zutreffend. Dennoch stellen sich einige Regierungen und Kultusministerien in den nordeuropäischen Ländern die Frage, ob sie bei der Digitalisierung von Schulen und der digitalen Bildung möglicherweise etwas zu weit gegangen sind.

Digital Detox an Schulen

Insbesondere in Schweden und Dänemark verfügen viele Grundschulen mittlerweile über einen Laptop für jedes Kind, während traditionelle Bücher kaum mehr zu finden sind. Angesichts wiederholter Alarmmeldungen von dänischen Lehrerverbänden und Bildungsexperten, die darauf hinweisen, dass konzentriertes Arbeiten in vielen Klassen oder Schulen kaum noch möglich sei, hat das dänische Schulministerium nun zwölf „restriktive“ Empfehlungen veröffentlicht, die einem Digital-Detox-Programm für Heavy User gleichen.

Mattias Tesfaye, der sozialdemokratische Minister für Kinder und Bildung, erläuterte in einem Interview mit der Tageszeitung Politiken, dass sich Schulen „den Klassenraum als Bildungsraum zurückerobern“ müssten. Bereits im vergangenen Dezember hatte Tesfaye sich bei dänischen Jugendlichen dafür entschuldigt, dass sie zu „Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment“ gemacht wurden, dessen Auswirkungen und Ausmaß nicht absehbar seien.

Er betonte, dass das Klassenzimmer kein „Erweiterungsbereich des Jugendzimmers, in dem gestreamt, gespielt und geshoppt wird“, sein sollte. Tesfaye kritisierte zudem, dass die Schulen sich zu lange den großen Tech-Konzernen untergeordnet hätten und die Gesellschaft zu sehr in die Wunder der digitalen Welt verliebt gewesen sei. Die große Mehrheit der dänischen Schüler:innen verwendet in nahezu jeder Schulstunde digitale Geräte.

12 Empfehlungen für den Umgang mit digitalen Geräten

Die zwölf Empfehlungen des Ministeriums umfassen unter anderem die vollständige Verbannung von Handys aus den Schulen, das Wegschließen von Tablets und Computern, wenn sie nicht im Unterricht verwendet werden, sowie die Nutzung von Bildschirmen nur dann, wenn es didaktisch und pädagogisch sinnvoll ist. Darüber hinaus wird die Einrichtung von Firewalls empfohlen, um Schüler:innen daran zu hindern, während der Schulzeit auf nicht-schulbezogene Websites zuzugreifen.

Gemäß der neuesten Pisa-Erhebung verbringen Kinder und Jugendliche in keiner anderen Nation so viel Zeit vor Bildschirmen wie in Dänemark. 72 Prozent der dänischen Schüler:innen verwenden in nahezu jeder Schulstunde digitale Geräte, 30 Prozent sind praktisch ununterbrochen online. Laut einer Studie der Kinderschutzorganisation Børns Vilkår erhalten 75 Prozent der dänischen Kinder zwischen Einschulung und dritter Klasse ihr erstes Mobiltelefon.

Die Moderaten-Partei, die Teil der Regierungskoalition ist, hat angekündigt, „so schnell wie möglich einige Hundert Millionen Kronen“ bereitzustellen, um sicherzustellen, dass alle Schulen wieder mit Büchern ausgestattet werden. Diese Initiative zielt darauf ab, das Gleichgewicht zwischen digitalen und traditionellen Lernmaterialien wiederherzustellen und den Schüler:innen eine vielseitige Lernerfahrung zu ermöglichen.

Spannende Fragen, die über die Schule hinausgehen

Daraus ergeben sich durchaus spannende Fragen, die weit über den schulischen Alltag hinausgehen. Denn die Nutzung digitaler Medien und digitaler Endgeräte hat gesellschaftsübergreifend stark zugenommen. Nicht zuletzt die Pandemie war diesbezüglich ein Entwicklungsbeschleuniger.

Viele Menschen klagen über eine gesunkene Aufmerksamkeitsspanne und schreiben diese der verstärkten Nutzung von Smartphones und Social-Media-Plattformen zu. Es handelt sich also mitnichten nur um ein Problem der Schulen. Fraglos gilt es im schulischen Kontext besonders bedacht und pädagogisch sinnvoll mit digitalen Endgeräten und Medien umzugehen.

Von einer „Rolle rückwärts“ wie im Fall Dänemarks gerade oft gesprochen wird, kann jedoch nicht die Rede sein. Vielmehr stellen die 12 Regeln des dänischen Kultusministeriums sinnvolle Umgangsleitlinien da, die zu einem selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien beitragen sollen.

Die in den Leitlinien formulierten Ideen können sowohl für Schüler:innen als auch für Erwachsene nützlich sein.

Ein Beitrag von Tobias Schiller