Der Gender Gap in den MINT-Fächern

Der Gender Gap in den MINT-Fächern
25
Jul

In den MINT-Studiengängen gibt es nach wie vor einen Gender Gap: Mehr Männer als Frauen nehmen naturwissenschaftlich-technische Studiengänge auf. Dabei zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die Gründe dafür weniger in den eigentlichen Fähigkeiten der Einzelnen begründet als in psychosozialen Faktoren.

Bis zur neunten Klasse keine Unterschiede

Eine aktuelle Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, dass es in der neunten Klasse keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich digitaler Kompetenzen zwischen Mädchen und Jungen gibt. Allerdings verläuft die weitere Entwicklung in Bezug auf MINT-Karrieren unterschiedlich: Mädchen entscheiden sich nur dann für eine Karriere im MINT-Bereich, wenn sie überdurchschnittliche digitale Kompetenzen in der neunten Klasse aufweisen. Bei Jungen besteht dieser Zusammenhang nicht.

Psychologische Faktoren entscheidend

Die Studienautor:innen erklären dieses Verhalten mit psychologischen Erkenntnissen: Jugendliche wählen Berufsfelder, in denen sie ihre eigenen Stärken vermuten. Mädchen neigen jedoch dazu, ihr Potenzial im Bereich der digitalen Kompetenzen zu unterschätzen. Insgesamt entscheiden sich Jugendliche mit höheren digitalen Kompetenzen oder Jungen eher für eine MINT-Karriere. Eine Erhöhung der digitalen Kompetenzen um zehn Prozentpunkte geht mit einer Steigerung der Wahrscheinlichkeit für eine Karriere im MINT-Bereich um etwa 1,5 Prozentpunkte (ungefähr 4,6 Prozent) einher.

Digitale Kompetenzen entscheidend für MINT-Wahl

Es gibt jedoch deutliche Unterschiede in den Karrierewegen von Mädchen und Jungen: Eine Zunahme der digitalen Kompetenzen von Mädchen um zehn Prozentpunkte führt zu einer Steigerung der Wahrscheinlichkeit, einen MINT-Beruf zu wählen, um etwa 2,95 Prozentpunkte. Angesichts der ohnehin geringen Wahrscheinlichkeit, dass Mädchen einen MINT-Beruf wählen, würde dies eine Steigerung um etwa 25 Prozent bedeuten. Die Studie zeigt auch, dass Jugendliche, bei denen mindestens ein Elternteil in einem MINT-Beruf arbeitet, eher dazu tendieren, selbst eine Karriere in diesem Bereich einzuschlagen.

Leichte Verzerrung in der Stichprobe

Die Grundlage der Studie bilden Daten des Nationalen Bildungspanels, bei dem die digitalen Kompetenzen von Jugendlichen in den Jahren 2010 und 2013 während der 9. und 12. Klasse getestet wurden. Die Jugendlichen wurden auch nach Abschluss ihrer Schullaufbahn zu ihren Bildungs- und Arbeitsmarktverläufen befragt, wodurch Ausbildungs- und Karrierewege im MINT-Bereich ermittelt wurden.

Die Stichprobe umfasst überdurchschnittlich viele Jugendliche aus Haushalten mit elterlichem Engagement im MINT-Bereich und unterdurchschnittlich viele mit Migrationshintergrund. Insgesamt ist die Stichprobe somit leicht positiv verzerrt. Die Wahrscheinlichkeit, einen MINT-Beruf zu wählen, liegt bei den Jugendlichen in der Stichprobe daher über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Es wird geschätzt, dass der Effekt digitaler Kompetenzen auf die Wahl eines MINT-Berufs bevölkerungsweit größer ist als in der Studie festgestellt.

Vorbilder und Förderung von großer Bedeutung

RWI-Wissenschaftlerin Friederike Hertweck betont, dass sich Mädchen und Jungen kaum in ihren digitalen Kompetenzen unterscheiden. Allerdings wählten Mädchen tendenziell nur dann eine Karriere im MINT-Bereich, wenn ihre digitalen Kompetenzen überdurchschnittlich ausgeprägt seien. Daher seien für weibliche Jugendliche Vorbilder aus dem MINT-Bereich sowie eine Rückmeldung zu ihren Kompetenzen sehr wichtig. Vor dem Hintergrund des Mangels an MINT-Fachkräften sollten digitale Kompetenzen so früh wie möglich gefördert werden.