Das papierlose Schulleitungsbüro

Das papierlose Schulleitungsbüro
24
Aug

Für viele Schulleitungen in Deutschland ist das komplett papierlose Arbeiten gefühlt ein Wunschgedanke. Zu groß sind die Hürden, den Arbeitsalltag von analog auf digital umzugestalten, und oft mangelt es an motivierenden und inspirierenden Vorbildern, um den Weg in die digitale Transformation anzutreten. Doch der Mehrwert, den digitales Arbeiten mit sich bringt, ist so enorm, dass es sich lohnt, mutig zu sein und der Digitalisierung eine Chance zu geben.
Für einen modernen und papierlosen Arbeitsplatz benötigt man im Idealfall vier Komponenten: einen leistungsfähigen Computer, einen Dokumentenscanner, einen zweiten Monitor und ein Tablet mit Eingabestift. Mehr ist zum perfekten digitalen Arbeiten nicht notwendig. Im Grunde genommen kann man sogar diese Ausstaffierung auf lediglich einen Computer und einen Dokumentenscanner reduzieren. Dabei bildet der Dokumentenscanner die Brücke von analog zu digital. Ohne ihn geht es nicht! Ein zweiter Monitor bietet den Vorteil der visuellen Erweiterung des Arbeitsbereiches. Das Tablet bildet die digitale Alternative zum traditionellen Notizbuch. Man kann es überall mit hinnehmen, handgeschriebene Schriftstücke lassen sich im  Nullkommanichts erstellen, und das Schreibgefühl mit einem modernen Pencil ist inzwischen identisch mit der analogen Notation.

Der Digitalisierungsprozess und die Dateiablage

Viele Schulleitungen sehen sich fälschlicherweise vor die unmögliche Herausforderung gestellt, dass der gesamte digitale Umstellungsprozess nur gelingen kann, wenn sie im ersten Schritt beispielsweise das komplette analoge Schularchiv digitalisieren, um erst dann die Voraussetzung für das papierlose Büro geschaffen zu haben. Dieser Gedanke mag auf den ersten Blick nachvollziehbar erscheinen, sorgt aber dafür, dass das gesamte Vorhaben bereits vom ersten Tag an zum Scheitern verurteilt ist. Mit dem digitalen und papierlosen Büro fängt man an Tag 1 mit einer leeren Ordnerstruktur auf dem Dienstcomputer an. Die Schulleitung und das Sekretariat werden sicherlich Dokumente und Formulare haben, die jeden Tag benötigt werden: Briefpapier, Schulbescheinigungen, Klassenlisten. Und diese liegen aufgrund der Häufigkeit ihrer Benutzung in aller Regel bereits digital vor. Daher sollten dies die ersten Dateien sein, die in die neue digitale Ordnerstruktur eingefügt werden. Mit der Zeit werden immer mehr Dokumente die Ordner füllen. Alle anderen Dateien, die bereits digital vorliegen, jedoch nicht unbedingt täglich in Gebrauch sind, werden in einem Archivordner hinterlegt. Dort sind sie zum Abruf jederzeit bereit – wenn sie überhaupt jemals noch einmal benötigt werden. Um erfolgreich digital zu arbeiten, ist das A und O eine saubere, gut gepflegte und leicht nachvollziehbare Ordnerstruktur. Eine effektive Ordnerstruktur zeichnet sich grundsätzlich durch ihre Einfachheit und ihre intuitive Anwendbarkeit aus. Das bedeutet, je weniger Ordner man verwendet und je klarer diese benannt sind, desto leichter und schneller sind die Dateien aufzufinden.

Carsten Arntz: „Deutschlands Schulleitungen sind mit ihren Nerven und Kräften am Ende. Neben dem »normalen« Schulalltag sind sie auf einmal für alle möglichen Aufgabenbereiche der digitalen Transformation an ihren Schulen verantwortlich, die ursprünglich nicht zu ihrem Stellenprofil gehörten. Eine schier unbewältigbare Anforderung, die schnell zu einer Überforderung führen kann, denn viele Schulleitungen sehen sich momentan hilflos und unvorbereitet einem Digitalisierungstsunami ausgesetzt, der sie erbarmungslos mit sich reißt. Dem kann man nur entgegentreten, wenn man sich der Thematik aktiv annimmt und die Digitalisierung und Automation von wiederkehrenden Arbeitsprozessen, die von Computern autark ausgeführt werden können, zunutze macht. Ich bin davon überzeugt, dass der Schritt hin zur kompletten Digitalisierung von Deutschlands Schulleitungsbüros genau jetzt in der Nachwirkung der Pandemie gegangen werden muss, denn wir sind alle längst Teil des digitalen Wandels und dürfen die digitale Transformation nicht verschlafen.“

Arbeite mit dem bewährten 7-Ordner-System

Ein bekanntes und weitverbreitetes Ordnersystem, das in vielen Büros und Sekretariaten verwendet wird, ist das sogenannte 7 Ordner-System. Dieses hierarchisch aufgebaute, auf maximal drei Ebenen ausgelegte Ablagesystem verwendet maximal sieben Ordner pro Ebene. Dies hat den Vorteil, dass der Überblick über die Ordnerstruktur erhalten bleibt, da unser Gehirn nach neurologischen Erkenntnissen maximal sieben Ordner verarbeiten kann. Und die Navigation geht zudem schneller vonstatten

EBENE 1: 7 Ordner
EBENE 2: 7 weitere Unterordner (insgesamt 49, 7 × 7)
EBENE 3: 7 weitere Unterordner (insgesamt 343, 7 × 49)

Mit diesem System kann man im Grunde genommen alle schulrelevanten Dokumente zweckmäßig ablegen und verwalten. Neue Kolleg:innen innerhalb der Schulorganisation und -verwaltung (etwa neue Sekretär:innen oder eine neue Stellvertretung) können sich anhand dieser übersichtlichen Ordnerstruktur schnell zurechtfinden und von Beginn an wirkungsvoll arbeiten. Das Ablegen und das Auffinden von Dokumenten wird somit äußerst produktiv und erspart darüber hinaus eine Unmenge an Zeit.

Eine effektive Dateibenennung ist das A und O

Es ist sinnvoll, bei der Dateibenennung immer ein Namenskürzel einer verantwortlichen Lehrkraft mit vier Buchstaben zu verwenden, etwa MEIE (für Frau oder Herrn Meier), SCHM (für Frau oder Herrn Schmitz), ANDE (für Frau oder Herrn Anders). Vorangestellt ist immer das aktuelle Tagesdatum nach dem US-amerikanischen Format (Jahr–Monat–Tag), gefolgt von einem Leerzeichen, einem Minusstrich und einem erneuten Leerzeichen. Expert:innen verwenden anstatt Leerzeichen stoisch Unterstriche und empfehlen ausnahmslos die Vermeidung von Umlauten in Dateinamen.

So können Dateien einheitlich benannt werden
So können Dateien einheitlich benannt werden

Der tägliche Arbeitsablauf im Jahr 2022 hat aber gezeigt, dass der Dateiaustausch zwischen Windows und Mac-Rechnern diesbezüglich keinerlei Probleme mehr bereitet. Diese Notationsweise ist eher ein Relikt aus der anachronistischen DOS-Ära der 1990er-Jahre. Und da die visuelle Übersichtlichkeit höchste Priorität haben sollte, ist die Kompatibilität zu anderen Betriebssystemen heutzutage eher zu vernachlässigen.

Mut zur Veränderung lohnt sich

Natürlich: Alles Neue sorgt anfänglich für Unsicherheit, und Angst vor Veränderungen ist ganz normal. Jedoch ist die Digitalisierung – gerade im schulischen Kontext – eine überaus sinnvolle Innovation, da sie Arbeitsprozesse automatisiert und somit maßgeblich vereinfacht. Schule wird arbeitsökonomischer ausgerichtet und Prozesse laufen schneller, fehlerfreier und produktiver ab. Bei den mannigfaltigen Anforderungen im Schulalltag ist es sinnvoll, nach einer kurzen Einarbeitungszeit Abschied vom analogen Arbeiten zu nehmen und den digitalen Wandel einfach zuzulassen. Eine doppelte Buchführung (analog und digital) ist sinnlos, auch, wenn wir Papierausdrucke immer noch als »Sicherheitsbackup« verstehen, falls die Technik einmal versagt. Mit wohlbedachten Backupstrategien und einer sauberen Ordner- und Dateistruktur wird jedoch auch das ortsungebundene Arbeiten immer mehr Einzug in den Schulalltag halten. In den Lockdownzeiten war erkennbar, dass die gesamte schulische Arbeit auch vom Homeoffice aus vonstattengehen kann – und das umso einfacher, je digitaler man bereits aufgestellt war. Island, Spanien, Schottland und Wales testen aktuell Großexperimente zur Viertagewoche, aus denen sich bereits jetzt abzeichnet, dass mehr Arbeitszeit nicht zwingend mehr Produktivität bedeutet, sondern vor allem zu mehr Flexibilität im Arbeitsalltag führt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert. Die Work-Life-Balance äquilibriert sich und einem potenziellen Burn-out wird vorgebeugt.

Zukunftsweisendes Fazit

Marco Jakob, Lehrer für Entrepreneurship und Informatik am Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung in Bern, warf bereits am 23. Mai 2020 zukunftsweisend in seinem Blog eine entscheidende Frage auf, deren Antwort uns die Bundesregierung und die Landesregierungen bis heute schuldig geblieben sind: »Niemand scheint den Mut zu haben, auch mal die Frage zu stellen, ob auch eine Kombination denkbar wäre: Könnten wir Schule so gestalten, dass sowohl für Lehrer wie auch für Schüler die Möglichkeit besteht, regelmäßig aus dem Homeoffice zu arbeiten und zu lernen?«. Deutschland hat die vielversprechende Erfahrung gemacht, dass die neuen digitalen Arbeitsformate sehr gut funktionieren, schnell eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft finden und die Work-Life-Balance aller Beteiligten positiv beeinflussen. Dennoch stellt sich allmählich ein allgemeines Unverständnis dafür ein, dass wir uns wieder auf direktem Wege zum Altbewährten befinden. Ein absolut sinnloser Rückschritt! Schulunterricht findet wieder wie gewohnt in Präsenz statt. Die wichtigen Kompetenzen, die von allen während der Pandemie erlernt und praktiziert wurden, sind größtenteils wieder in Vergessenheit geraten, und die positiven Auswüchse des digitalen Wandels auf die Gesellschaft haben sich nicht langlebig etabliert. Es scheint fast, als wäre inzwischen die Zeit während Corona wieder wie vor Corona, und wir wachen alle voller Glückseligkeit abrupt aus einem betörenden Dornröschenschlaf auf, in dem von der digitalen Zukunft lediglich geträumt wurde. Daher ist es die vorderste Aufgabe aller Schulleitungen, die digitale Transformation innerhalb der Schulen weiter voranzutreiben, denn sie sind die wichtigen Impulsgeber, Motivatoren und Entscheidungsträger in diesem schulischen Entwicklungsprozess und werden damit das Bildungswesen der Zukunft in Deutschland fundamental prägen.

Ein Beitrag von Carsten Arntz.

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Carsten Arntz

Schulleiter und Pionier des digitalen Schulleitungsbüros