In Baden-Württemberg hat die Landesregierung entschieden aufgrund des Corona-Virus alle Schulen bis zum 20. April 2020 zu schließen. In der unterrichtsfreien Zeit sollen “ […] auch digitale Hilfsmittel herangezogen werden, um ortsunabhängig kommunizieren, lernen und arbeiten zu können“ (Zitat aus dem Schreiben des Kultusministeriums vom 14. März 2020: Hinweise zum Schulbetrieb am Montag, den 16. März 2020, und zur unterrichtsfreien Zeit. Download PDF (Zitat von Seite 2, 2. Absatz))
Technische Möglichkeiten:
Das Friedrich-Gymnasium Freiburg ist eine von 18 Tablet-Modellschulen des Kultusministeriums Baden-Württemberg. Die SchülerInnen und LehrerInnen der Schule sind für den digitalen Fernunterricht technisch gut gerüstet:
- Schul-Mail – Kopano auf dem Schulserver.
- Schul-Cloud – Nextcloud auf dem Schulserver.
- Schul-Chat: Text, Audio & Videokonferenz – Nextcloud Talk auf dem Schulserver.
- Leih-Tablets – 50 iPads für Schüler ohne Endgeräte.
- Bettermarks – externe Lernplattform für Mathematik.
- Glasfaserkabel zum Schulserver – für hohe Datenraten.
- Datenschutz – eigener Schulserver & Datenschutzverträge mit Lernplattformen.
- 170 individuelle Tablets – 110 in Schülerhand, 60 in Lehrerhand.
Einsatz digitaler Medien im Fernunterricht:
Auch im digitalen Fernunterricht orientieren sich die Lehrerinnen und Lehrer am Friedrich-Gymnasium an den „vier Geboten“ für den wirkungsvollen digitalen Unterricht (anglehnt an Hillmayr, D., Reinhold, F., Ziernwald, L., Reiss, K. (2017). (Digitale Medien im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht der Sekundarstufe: Einsatzmöglichkeiten, Umsetzung und Wirksamkeit. Waxmann-Verlag, Münster. Download PDF)
- Zeitlich begrenzter Einsatz von digitalen Medien: Beispiel Doppelstunde: 45 Minuten Online-Zeit mit Chat-Diskussion, digitaler Lerndiagnose, Erklärvideos, Lernplattformen … danach 45 Minuten zeitlich flexible Offline-Zeit mit Aufgaben und Texten aus Büchern.
- Digitale Medien nur als Ergänzung zu analogen Methoden und Lehr- / Lernmaterialien: Das Fundament des Fernunterrichts sind Bücher, handschriftliche Aufsätze, offene & kreative Aufgaben, Poster-Gestaltung … die alle auch ohne Online-Zeit bearbeitet werden können.
- Einsatz digitaler Medien vorwiegend in kooperativen Lernformen: Zwei SchülerInnen der Klasse können einen Arbeitsauftrag kooperativ bearbeiten. Die Partnergruppe kann dazu telefonieren oder mit kollaborativen Office-Tools datenschutzkonform auf der Schul-Cloud arbeiten.
- Einsatz von digitalen Medien durch professionell geschulte Lehrer: Viele LehrerInnen kennen sich mit digitalen Medien bereits ganz gut aus. Es schadet aber auch nicht, wenn einige LehrerInnen sagen: „Ich mache mit meinem Übungsheft zunächst vieles analog.“ Auf die Mischung kommt es an!
Online- und Offline-Zeitplan:
Tragisch wäre es, wenn die SchülerInnen in den nächsten Wochen zum Lernen täglich sechs bis acht Stunden vor dem Smartphone-, Tablet- oder Computerbildschirm verbringen. Zur Strukturierung des Alltags kann es allerdings sehr sinnvoll sein, wenn die LehrerInnen zu den regulären Stundenplanzeiten im Klassen-Video-Chat für Fragen zur Verfügung stehen. Die Arbeitsaufträge sollten dabei mit flexiblen Online- und Offline-Aufgaben so gestaltet werden, dass die SchülerInnen ihre Zeit größtenteils frei einteilen können. Zur Verbindlichkeit sollten dabei feste Termine für die Abgabe der Aufgaben über die Lernplattform oder die Schul-Cloud angegeben werden.
Die Chance von digitalen Medien:
Der Fernunterricht ist eine große Chance für die digital angereicherte Schulbildung. Viele LehrerInnen können von zu Hause neue digitale Tools und Unterrichtsszenarien erproben. Es sollte aber immer hinterfragt werden, welche analogen oder digitalen Methoden beim eLearning wirklich sinnvoll sind. Der Einsatz von digitalen Medien im Fernunterricht bietet nur dann einen Vorteil, wenn digitale Möglichkeiten maß- und sinnvoll in der pädagogischen Arbeit verwendet werden. Digitale Medien sind nur als Hilfsmittel im Lernprozess zu sehen – mehr nicht! Die Mischung aus analog und digital macht´s!
Ein Beispiel von vielen aus dem Fernunterricht:
Wie sieht der Fernunterricht nun konkret aus? Als Beispiel wird die Durchführung einer Mathematikstunde der 11. Klasse beschrieben. Die Klasse trifft sich gemeinsam um 9 Uhr im FG-Chat. Der Ablaufplan für die Doppelstunde ist über die FG-Cloud allen SchülerInnen und Eltern zugänglich. Die Arbeitsaufträge können auch ohne Anwesenheit im Chat zeitlich flexibel bearbeitet werden.
- Hausaufgabenbesprechung: Zunächst präsentiert ein in der letzten Stunde bestimmter Schüler die Hausaufgaben über ein selbst erstelltes Erklärvideo. Danach werden über den FG-Audio-Chat offene Fragen besprochen und das Erklärvideo über ein Live-Feedback-Formular durch alle SchülerInnen bewertet.
- Erarbeitung von neuem Wissen: Im Anschluss an die Hausaufgabenbesprechung erfolgt der Übergang zur Video-Chat App Zoom. Innerhalb der Videokonferenz aller SchülerInnen erklärt der Lehrer am Lehrer-Tablet das neue Thema und notiert den Tafelaufschrieb in der App GoodNotes. Die SchülerInnen sehen den Aufschrieb live über die Bildschirmaufnahme und schreiben zu Hause mit. Es besteht dabei die Möglichkeit jederzeit Fragen zu stellen. Ein reduziertes Lehrer-Schüler-Gespräch ist über die Videokonferenz möglich.
- Übungsphase: Nach der Online-Zeit erfolgt eine Offline-Zeit mit Übungsaufgaben aus dem analogen Mathematikbuch. Die Lösung der Aufgaben und der fertige Tafelaufschrieb werden später in der FG-Cloud hinterlegt. Über den 1:1 FG-Audio-Chat können die Schülerinnen jederzeit individuelle Fragen stellen.
- Lerndiagnose: Gegen Ende der Stunde erfolgt für alle SchülerInnen ein Mathe-Test ohne Noten über die App Bettermarks. Die Lernenden und der Lehrer sehen nach der Abgabe und der automatischen Korrektur sofort, wo noch Verständnisschwierigkeiten liegen. Die Lernenden können die Defizite am Nachmittag eigenständig im digitalen Mathe-Übungs-Buch der App Bettermarks aufholen.
- Vergabe der Hausaufgaben: Am Ende der Stunde erfolgt die Vergabe der neuen Hausaufgaben. Über die App TeamShake wird dabei live ein Lernender ausgelost, der bis zur nächsten Mathematik-Fernstunde das Erklärvideo zu den Hausaufgaben erstellt.
Technische Grenzen:
Der gesamte Datenverkehr der Schule (FG-Mail, FG-Cloud, FG-Chat) von 500 Schülern und Lehrern erfolgt datenschutzkonform über den Schulserver. Anhand der Zugriffszahlen zeigte sich, dass viele Personen mit mehreren Endgeräten (Smartphone, Tablet und Computer) über Exchange ActiveSync gleichzeitig auf dem Schulserver zugreifen. Der limitierende Faktor ist derzeit neben der Bandbreite des Glasfaserkabels (200 MBit/s symmetrisch) die Serverleistung (12 Kerne). Zu den Stoßzeiten (9-14 Uhr) ist der Server voll ausgelastet, wodurch keine 1:1 Video-Chats mehr möglich sind.
Gelockerte Datenschutzbestimmungen – Einsatz der App Zoom:
Aufgrund der Lockerung der Datenschutzbestimmungen des Kultusministeriums BW während der „Corona-Zeit“ (z. B. darf Office 365 nun genutzt werden) haben wir mit den SchülerInnen verschiedene externe Tools zur Videokonferenz im Fernunterricht erprobt (YouTube Stream, Zoom, Hangout und Jitsi). Überzeugt hat uns das kommerzielle Video-Konferenz-Tool „Zoom“. Die Lernenden können hier ohne Login an der Videokonferenz des Lehrers teilnehmen. Die Bildübertragung läuft auch bei 30 Lernenden bisher sehr stabil, alle Beteiligten können sich gegenseitig sehen und miteinander sprechen. Am Lehrer iPad kann in der App Zoom der komplette Tablet-Bildschirm gespiegelt werden. Damit ist es möglich mit den SchülerInnen einen digitalen live – „Tafelanschrieb“ zu erarbeiten. In der kostenlosen Basis-Version erfolgt nach 40 Minuten eine Sperre der Viedeokonferenz. Die Zeitdauer ist jedoch für unser pädagogisches Online- / Offline-Konzept völlig ausreichend.
Schulinterne online Lehrerfortbildungen:
Viele digitale Anwendungen aus dem Klassenzimmer lassen sich auch im Fernunterricht sinnvoll einsetzen. Zum Erfahrungsaustausch und der Schulung des Kollegiums werden durch das IT-Team der Schule freiwillige schulinterne Lehrerfortbildungen über eine Videokonferenz (App Zoom) angeboten. Ein Thema ist z. B. der Einsatz von digitalen Werkzeugen zur Lernprozessdiagnose im Fernunterricht (Kahoot, Socrative, Bettermarks, LearningSnack).
Danke:
- Danke an die Stadt Freiburg (ASB und DIGIT) für die unbürokratische und schnelle Verdopplung der Bandbreite des Glasfaserkabels zu unserem Schulserver.
- Danke an das Kreismedienzentrum Freiburg für den ausgezeichneten Tablet-Support.
- Danke an das Land BW für die Erlaubnis im Fernunterricht „datenschutzrechtliche Graubereiche“ wie Office 365 oder Messengerdienste nutzen zu dürfen.
Fazit
…nach der ersten Woche digitalem Fernunterricht: Es läuft!
Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele digitale Anwendungen aus dem Klassenzimmer auch im Fernunterricht erfolgreich eingesetzt werden können.
Tipp: Bericht über die neue Form des Unterrichts unhttp://bit.ly/2D3Yc34
Patrick Bronner