Viel verlorene Lernzeit: Ein Blick auf die ifo-Studie Bildung in Coronazeiten

Viel verlorene Lernzeit: Ein Blick auf die ifo-Studie Bildung in Coronazeiten
28
Sep

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland ist inzwischen ein halbes Jahr vergangen. Ob Maskenpflicht, Sicherheitsabstände oder ausgefallene Urlaube in Risikoländern – an viele Maßnahmen haben sich die meisten inzwischen gewöhnt.Besonders schwierig war die Lage an den Schulen, das plötzlich notwendige Home Schooling musste ohne Konzepte umgesetzt wurden und lief in vielen Schulen lange Zeit komplett auf Improvisationsbasis.

Nicht alle Schüler*innen verfügten über die notwendigen Endgeräte, nicht überall gab es Eltern oder Geschwister, die beim Lernen unterstützen konnten. Oftmals traf dies gerade sozioökonomisch schlechter aufgestellte Haushalte, sodass häufig die Frage aufkam, wie sich in dieser Situation die Bildungsgerechtigkeit aufrechterhalten ließen. Hinzu kam die zusätzliche soziale Belastung, viele Lernenden konnten ihre Freunde und Mitschüler*innen nicht mehr sehen. Unterm Strich ist klar: es ist viel Lernzeit verlorengegangen.

Im Durchschnitt mehr als die Hälfte der Lernzeit ausgefallen

Doch wie viel genau? Das ifo-Institut hat im Rahmen einer neuen Studie versucht, zu ermitteln, wie viel Lernzeit tatsächlich weggefallen ist und womit Schüler*innen diese Zeit verbracht haben. Hierfür wurden über 1.000 Eltern schulpflichtiger Kinder befragt. Diese gaben an, dass die Zeit, die ihre Kinder mit schulischen Aktivitäten (Präsenzunterricht und das Lernen für die Schule) verbracht haben, durchschnittlich von 7,4 Stunden an Schultagen auf 3,6 Stunden gefallen sei. 38% verbrachten sogar weniger als zwei Stunden täglich mit schulischen Aktivitäten. Eine Reduzierung um mehr als die Hälfte also. Die Zahlen machen deutlich, dass der reguläre Lernstoff des Lehrplans in dieser Zeit gar nicht umzusetzen war.

Die fehlende Lernzeit wurde auch nicht durch andere, als „entwicklungsförderliche“ Aktivitäten wie etwa Lesen, Musizieren oder Bewegung, kompensiert. Im Durchschnitt verbrachten Schüler*innen in der Corona-Zeit nur etwa 18 Minuten mehr Zeit pro Tag auf diese Art und Weise. Viel mehr Zeit verbrachten sie hingegen mit von den Autor*innen als „relativ passiv“ bezeichneten Tätigkeiten, etwa Fernsehen, Computer- und Handyspielen und dem Konsum von sozialen Medien. Hier lässt sich allerdings die Frage stellen, inwiefern einige dieser Aktivitäten wirklich als passiv bezeichnet werden können. Zudem kann durch das, was im Studienbericht als „Konsum von sozialen Medien“ bezeichnet wird, hinsichtlich der Mediensozialisierung und -bildung durchaus auch entwicklungsförderlich sein.

Unterschiede zwischen Geschlechtern und Schulformen

Darüber hinaus fällt auf, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Schulformen gibt. So haben Mädchen im Durchschnitt täglich eine halbe Stunde mehr mit Lernen verbracht (3 Stunden) als Jungs (2,5 Stunden) sowie mehr Zeit für Lesen, kreatives Gestalten und die sozialen Medien aufgewendet. Jungs hingegen haben mehr Zeit Spielen an Computer, Handy oder Spielekonsole verbracht. Hinsichtlich der Schulformen stellte sich heraus, dass Gymnasiast*innen mehr Zeit mit Lernen für die Schule verbracht haben als Schüler*innen, die andere weiterführende Schulen besucht haben

Fragen hinsichtlich der Aussagekraft der Ergebnisse

Zwar scheinen die Zahlen ein durchaus realistisches Bild abzugeben, dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hierbei um Einschätzungen der Eltern handelt, nicht um Angaben der Schüler*innen selbst. Dementsprechend können keine Aussagen über die Effektivität der aufgebrachten Zeit getroffen werden. Auch ist fraglich, wie gut Eltern wirklich die Zeit einschätzen können, die ihre Kinder vor Corona für schulische Aktivitäten aufgewandt haben und wie viel Zeit diese mit entwicklungsförderlichen Aktivitäten verbracht haben.

Unabhängig davon zeigt die Studie (in der darüber hinaus noch weitere Aspekte des Home Schoolings abgefragt wurden), dass Konzepte entwickelt werden müssen, die in eventuellen weiteren Lockdown-Phasen zur Anwendung kommen können.

Die komplette ifo-Studie findet ihr hier.