Pragmatismus im Vordergrund: Die Shell Jugendstudie 2024

Pragmatismus im Vordergrund: Die Shell Jugendstudie 2024
28
Okt.

Mitte Oktober erschien die 19. Shell Jugendstudie und zog einmal mehr eine breite mediale Berichterstattung mit sich. Die Erhebung wird seit 1953 in Deutschland durchgeführt und hat sich über die Jahrzehnte als eine der wichtigsten Studien zur Analyse der Lebenswelten und Einstellungen junger Menschen etabliert.

Repräsentativer Einblick in die Lebenswelten junger Menschen

Mit ihren regelmäßigen Erhebungen bietet sie umfassende Einblicke in die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Sorgen von Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren. Ihre kontinuierliche Durchführung ermöglicht es, gesellschaftliche Veränderungen und Trends über Generationen hinweg zu vergleichen und zu verstehen.

Gerade in einer Zeit, in der viele Vorurteile über die GenZ existieren, bietet die Shell Jugendstudie wichtige Informationen über die Lebenswelt, Sorgen und Ansichten von Jugendlichen in Deutschland. Die 19. Ausgabe trägt den Titel „Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt“ und untersucht die Einstellungen, Ängste und Hoffnungen von Jugendlichen.

1. Gesellschaftliche und politische Orientierung

Die deutsche Jugend zeigt sich politisch interessierter als in den vergangenen Jahrzehnten. 55 % der Befragten bekunden ein aktives Interesse an Politik. Auch das politische Engagement ist in den letzten Jahren gestiegen: 37 % der Jugendlichen sind bereit, sich politisch einzubringen, verglichen mit nur 22 % im Jahr 2002.

Die Studie stellt außerdem fest, dass das Vertrauen in die Demokratie zwar hoch ist, jedoch regionale Unterschiede bestehen. Im Westen zeigen sich 77 % der Jugendlichen mit der Demokratie zufrieden, während der Wert im Osten bei nur 60 % liegt.

2. Wachsende Verlustängste

Zwei große Sorgen dominieren das Jahr 2024: die Angst vor einem Krieg in Europa (81 %) und wirtschaftliche Unsicherheiten (67 %). Diese Themen haben Ängste vor Arbeitslosigkeit oder mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten abgelöst, die nur noch 35 % der Jugendlichen beschäftigen – ein historischer Tiefstand. Sorgen über Umweltverschmutzung und Klimawandel bestehen weiterhin, doch die Betroffenheit ist gegenüber 2019 leicht zurückgegangen.

3. Konflikte und internationale Perspektiven

Die geopolitischen Konflikte, wie der Krieg in der Ukraine und der Gaza-Konflikt, beeinflussen die Meinungen der Jugendlichen in Deutschland. Ein Großteil der Jugendlichen unterstützt eine starke NATO (69 %), und 60 % fordern Sanktionen gegen Russland für den Angriff auf die Ukraine. Hinsichtlich der Unterstützung der Ukraine sind die Meinungen geteilt: 50 % befürworten eine militärische Unterstützung, wobei die Zustimmung im Osten (44 %) geringer ist als im Westen (52 %).

Beim Thema Israel und Gaza sind die Meinungen unter Jugendlichen stark polarisiert. Etwa 30 % begrüßen die klare Stellung Deutschlands für Israel, ebenso viele lehnen diese jedoch ab. Etwa die Hälfte der Jugendlichen möchte, dass Deutschland das Leid der palästinensischen Bevölkerung stärker anerkennt.

4. Klimaschutz bleibt wichtig

Der Klimaschutz bleibt ein zentrales Thema: 80 % der Jugendlichen sehen den Menschen als Hauptverursacher des Klimawandels. 57 % sind bereit, ihren Lebensstandard für die Umwelt zu senken, während 19 % dies ablehnen. Unterschiede zeigen sich in den Bildungsgruppen: Jugendliche mit höheren Bildungsabschlüssen sind eher bereit, Einschränkungen hinzunehmen.

Aktionen von Umweltgruppen wie der „Letzten Generation“ spalten die Jugend: 43 % fühlen sich durch die Vorschriften der Umweltbewegungen bevormundet, 25 % verteidigen deren Aktionen. Die allgemeine Akzeptanz für radikale Umweltmaßnahmen bleibt jedoch begrenzt.

5. Politische Positionierung und Staatsvertrauen

Die politische Positionierung der Jugendlichen ist auf einer Skala von links bis rechts mit einem Mittelwert von 5,3 relativ stabil. Unterschiede bestehen zwischen den Geschlechtern: Während 25 % der männlichen Jugendlichen eine eher rechte Position einnehmen, ist dies bei weiblichen Jugendlichen nur bei 11 % der Fall. Das Vertrauen in zentrale Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht und die Polizei ist hoch, während das Vertrauen in politische Parteien und die Kirche relativ niedrig ist.

6. Gesellschaftliche Toleranz und Offenheit

Die Mehrheit der Jugendlichen zeigt sich tolerant gegenüber anderen Lebensstilen und sozialen Gruppen. Ablehnung gegenüber Migrantengruppen ist dennoch vorhanden und zeigt regionale Unterschiede. Ein gewisser Anteil der Jugendlichen aus Ostdeutschland äußert größere Vorbehalte gegenüber Flüchtlingsfamilien. Die Haltung gegenüber einer jüdischen Familie bleibt überwiegend positiv, wobei nur 8 % eine ablehnende Haltung äußern.

7. Zukunftsaussichten und gesellschaftliches Engagement

Trotz der Herausforderungen zeigt die Studie eine positive Identifikation mit Staat und Gesellschaft. 86 % der Jugendlichen glauben an die Möglichkeit einer besseren Welt. 70 % sind überzeugt, dass sie durch eigenes Engagement Einfluss auf die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse nehmen können. Das soziale Engagement der Jugendlichen hat leicht zugenommen: 40 % geben an, häufig gesellschaftlich aktiv zu sein.

Die Studie widmet sich neben den hier zusammengefassten, regelmäßig abgefragten Kategorien auch aktuellen Themen, etwa der Haltung zum Gendern, dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz und den Nachwirkungen von Corona. Die komplette Studie lässt sich hier einsehen.